Das in Wien erscheinende Interessante Blatt berichtete am 4. Juli 1918 voller Bewunderung von einer sommerlichen Opernaufführung blinder Kinder aus Niederösterreich:
"Die Blinden, ob blind geboren oder später blind geworden, ganz gleich, die Blinden wollen den Gesichtssinn ersetzen. Und dazu verfeinern sie ihre anderen Sinne teils wissentlich, teils unwissentlich. Was sie auf diesem Wege erreichen ist oft staunenswert. So eine bewundernswerte Leistung vollbrachten am 15. Juni 1918 die Zöglinge der niederösterreichischen Landes-Blindenanstalt in Purkersdorf, indem sie in einer der Blindenfürsorge dienenden Wohltätigkeitsaufführung die Hauptszenen aus Humperdincks Märchenoper 'Hänsel und Gretel' mustergültig vorführten. Dabei bewältigten sie nicht nur den gesanglichen und den für Blinde doppelt schweren darstellerischen Teil, sondern sie stellten auch die orchestralische Begleitung bei. Die zahlreichen Besucher konnten hören und sehen, wie hoch die Leistungen der blinden Kinder zu werten sind."
Im 19. Jahrhundert wurden in Österreich mehrere Anstalten für Blinde eingerichtet. Am 28. November 1872 beschloss beispielsweise der niederösterreichische Landtag die Errichtung einer Blindenanstalt im Wiener Stadtteil Ober-Döbling (1872 war Wien kein eigenes Bundesland). 1879 übersiedelte die Blindenanstalt nach Purkersdorf, wo sie bis zu ihrer Schließung im Jahr 1924 bestehen blieb und ihr Schützlinge wieder nach Wien zurückkehren mussten. Die Anstalt in Purkersdorf wurde sehr schnell zu einem Aushängeschild österreichischer Wohlfahrtspolitik, an der Koryphäen der Blindenpädagogik wirkten. Unter ihnen befanden sich Matthias Pablasek, der an der Durchführung des ersten Europäischen Blindenlehrer-Kongresses 1873 in Wien maßgeblich beteiligt war oder Josef Libansky, der wegweisende Arbeit in der Entwicklung der Blindenbildung leistete.
Links:
Eine Opernaufführung blinder Kinder (Das Interessante Blatt vom 4. Juli 1918)
Weiterlesen: Zweihundert Jahre Blindenbildung im deutschsprachigen Raum (PDF; Informationsblatt des Bundes-Blindenerziehungsinstitutes BBInfo 3/2004, Seiten 11-23)