Der Unabhängigkeitserklärung der Tschechoslowakei am 28. Oktober 1918 folgte das Ende der Doppelmonarchie am 31. Oktober 1918 mit der Aufkündigung der Realunion durch die ungarische Regierung. An demselben Tag akzeptierte Kaiser Karl die Gründung des südslawischen Staates und übergab die österreichische Marine dem in Gründung befindlichen SHS-Staat. Oberbefehlshaber der neuen jugoslawischen Marine sollte der Kommandant des größten k.u.k. Schlachtschiffes "Viribus Unitis" Janko Vuković-Podkapelski werden. Dazu kam es aber nicht mehr, da italienische Marinetaucher die Viribus Unitis am 1. November versenkten. Dieser Anschlag kostete Kommandant Vuković-Podkapelski und etwa 400 Seeleuten das Leben. Italien war nicht bereit an der Ostküste der Adria eine neue Seemacht zu dulden...
In Wien, wo Schulen und Vergnügungsetablissements wegen der grassierenden Spanischen Grippe schon längere Zeit weitgehend geschlossen blieben, wurde am 30. Oktober die provisorische Verfassung von Deutsch-Österreich angenommen. Tags darauf konstituierten sich in Wien die "Roten Garden" und am Samstag, den 2. November berichtete das Neue 8 Uhr-Blatt über die damit einhergehende Angst vor revolutionären Unruhen:
"Die Straßen der inneren Stadtteile boten heute ein verändertes Aussehen. Anstatt des lebhaften Treibens, das besonders an Samstag-Nachmittagen in der Inneren Stadt zu herrschen pflegt, herrschte eine ungewöhnliche Stille. Die Rolläden fast sämtlicher Geschäfte waren herabgelassen, bei Geschäften, die keine Rolläden haben, wurden die großen Spiegelscheiben in fieberhafter Eile mit Brettern vernagelt. Auch sämtliche kaiserlichen Adler, ferner die Aufschriften ‚k.k. Hoflieferant‘, wurden entweder mit Tüchern bedeckt oder mit Papier überklebt."
Der am 3. November in Padua unterzeichnete Waffenstillstand von Villa Giusti zwischen Österreich-Ungarn und der Entente hatte durch den voreiligen Befehl Kaiser Karls, die Kampfhandlungen sofort einzustellen, zur widerstandslosen Gefangennahme von 380.000 k.u.k. Soldaten durch italienische Truppen geführt. Kaiser Karl hatte die 24-Stundenfrist bis zum Inkrafttreten des Waffenstillstands übersehen...
Am 4. November wurde das k.u.k. Kriegsministerium in "Staatsamt für das Heereswesen" umbenannt, was an der Fassade des Ministeriums mit großen weissen Plakaten angekündigt wurde. Das Staatsamt diente mit sofortiger Wirkung als "Liquidierungsamt" für militärische Angelegenheiten der Nachfolgestaaten der Monarchie, insbesondere auch hinsichtlich der Repatriierung tausender Soldaten, die in diesen Tagen das Wiener Stadtbild prägten. Außerdem machte am 4. November Tag die Kunde von der Festnahme des Militärkommandanten von Graz wegen "Widersetzlichkeit gegen den Staatsrat" sowie über die Konstituierung der oberösterreichischen sowie der vorarlbergerischen Landesregierung die Runde.
Vor diesem von Chaos, totalem Zusammenbruch und ersten zaghaften Schritten der Nachfolgestaaten geprägten Hintergrund beging die untergehende Monarchie am Montag, den 4. November 1918 in einer bereits anachronistisch wirkenden Zeremonie im Wiener Stephansdom zum letzten Mal der Namenstag des Kaisers:
"In der altgewohnten Feierlichkeit wurden heute in sämtlichen Kirchen Wiens heute vormittag anläßlich des Namensfestes Kaiser Karls die Hochämter gehalten. Die Teilnahme der Gläubigen war heuer eine besonders rege, so daß diese kirchlichen Andachtsfeiern zu wirksamen Kundgebungen des christlichen Wiens wurden. Auch die offiziellen Persönlichkeiten fehlten nicht. Da die Schulen gesperrt sind, nahmen bis Schulkinder nicht korporativ teil. Das Kaiseramt bei St. Stefan um 11 Uhr hielt Kardinal-Fürsterzbischof Dr. Piffl unter Assistenz der Domprälaten Dr. Müller und Schöpfleuthner, der Domherr Prälat Cecconi Freiherr Spins-Booden, Msgre. Wolny. Es wohnten bei die Minister des Kabinetts Lammasch in Zivilkleidung, der Stadt- und Gemeinderat, die Spitzen der Behörden des Staates, des Landes und der Stadt, viele Offiziere. Im Presbyterium sah man den Apostolischen Nunzius Grafen Valfré mit Uditore Prälat Micara und Sekretär Msgre. Torricella, die Prälaten Schottenabt Amand Oppitz, Dr. Brenner u.v.a., im Hoforatorium Frau Erzherzogin Maria Theresia und Herzogin von Braganza. Obwohl eine öffentliche Auffahrt der Würdenträger diesmal unterblieb, waren doch die Zugänge zum Dom von zahlreichen Zuschauern umsäumt. Um die Mittagsstunde schloß mit Tedeum und Volkshymne das Kaiseramt."
Links:
Das Namensfest des Kaisers (Reichspost vom 4. November)
Das veränderte Stadtbild (Neues 8 Uhr-Blatt vom 2. November 1918)
Heute vor 100 Jahren: Die Gründung der Roten Garden (1. November 1918)
Heute vor 100 Jahren: Der provisorische Verfassung von Deutsch-Österreich (30. Oktober 1918)
Heute vor 100 Jahren: Die spanische Grippe in Wien (10. Oktober 1918)