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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

4. Oktober 1918

Die Taborstraße in Wien Leopoldstadt um 1913
Die Taborstraße in Wien Leopoldstadt um 1913, rechts befindet sich Nummer 8 (um 1914 durch einen Neubau ersetzt) und links, etwa auf der Höhe des Mauervorsprungs, befand sich auf Nummer 13 das Café International; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Das Kaffeehaus gilt als eine typische Wiener Institution und zweites Wohnzimmer der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner. Während des Ersten Weltkriegs entdeckten Schleichhändler das Café als idealen Ort für ihre illegalen Geschäfte. Am 4. Oktober 1918 berichtete das Fremden-Blatt unter dem Titel "Café Schleichhandel" von Razzien in 2 Cafés in der Wiener Leopoldstadt:

"In der abgelaufenen Woche wurden die in der Taborstraße gelegenen Kaffeehäuser 'Zentral' und 'International' von Organen des Kriegswucheramtes revidiert und 23 des Schleichhandels verdächtige Individuen in Verwahrungshaft genommen […] Kennzeichnend ist die Anhaltung einer Militärperson in einem dieser Kaffeehäuser, die dasselbe nur zum Zwecke des Broteinkaufes besucht hatte, da ihr von vielen Seiten versichert worden war, daß man in diesen Lokalen Brot in beliebiger Menge erhalten könne. Tatsächlich hatte der Soldat kurz vor der Streifung im Café 'International' von der Privaten Adele Waldmann einen Laib Brod um 10 Kronen erstanden. Ein anderer Kaffeehausgast namens Maier Bittermann und derzeit beschäftigungslos, der aus dem entfernten 16. Bezirk das Café 'International' aufgesucht hat, hatte sich im Laufe der letzten Zeit sukzessive eine größere Quantität Kümmel aus Galizien schicken lassen, den er im genannten Kaffeehause zu Schleichhandelspreisen veräußerte. Daß auch Zwirn in größeren Mengen in diesen Kaffeehäusern verhandelt wurde, beweist die Verhaftung des Hilfsarbeiters David Gottesmann, der eine größere Menge dieses derzeit so seltenen Artikels an einen noch nicht eruierten Kaffeehausgast verkauft hatte. Dieser Zwirn stammt von dem Schützen Benno Kirsch, der die Ware auf offener Straße im 2. Bezirk von einem dort herumlaufenden Individuum erstanden hatte."

Das eher übelbeleumundete Café International in der Taborstraße 13 an der Ecke zur Negerlegasse, in dem regelmäßig Razzien stattfanden, musste knapp nach dem Ersten Weltkrieg schließen. Heute befindet sich hier ein Neubau. Das "Zentral" lebt aber bis heute an seiner Adresse auf Nummer 8 als elegantes "Hotel City-Central" weiter.

Link:
Razzia im Café Schleichhandel (Fremden-Blatt vom 4. Oktober 1918)

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