Gegen Ende des Ersten Weltkriegs suchten die österreichischen Zeitungen nach den Schuldigen der Versorgungskrise. Und immer wieder wurde die gleiche Antwort gegeben: Die Juden wären schuld. Ein antisemitischer Artikel, der den nationalsozialistischen Populismus der 1930er-Jahre vorwegnahm und die Entstehung des radikalen Antisemitismus abseits jeder Rechtsstaatlichkeit beförderte, erschien am 5.Jänner 1918 in der christlichsozialen Reichspost.
Die Reichspost alterierte sich im Jänner 1918 darüber, dass in einem Hotel in Baden bei Wien, das für verwundete Offiziere reserviert war, auch "Kriegsgewinner der anderen Abstammung" als Gäste willkommen waren: "Wer sind die Gäste? – ein paar verwundete Offiziere, denen die Erholungen nach den Entbehrungen des Feldzuges für die Genesung vom Krankenlager reichlich gegönnt ist. Es wäre erfreulich, wenn für sie diese Schätze vorbehalten wären. Doch dem ist nicht so. Sie sind nur gewissermaßen die Staffage der Landschaft, die aus Kriegsgewinnern der andern Abstammung besteht... Es ist höchste Zeit, daß gegen das gewissenlose Schmarotzertum, das während des Krieges erst recht in die Höhe gekommen ist, das öffentliche Gewissen erwache und Mittel der Abhilfe schaffe. Es ist nichts mehr mit Verordnungen getan, das Gewissen der Gesellschaft muss geschärft werden."
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Ungleichheiten (Reichspost vom 5. Jänner 1918)