Am 5. März 1919 verstarb Ernest von Koerber in einem Sanatorium in Baden bei Wien. Koerber bekleidete unter Kaiser Franz Joseph verschiedene Ministerposten und war von 1900 bis 1904 Ministerpräsident. 1916, nach der Ermordung des Ministerpräsidenten Karl Graf von Stürgkh, wurde er als dessen Nachfolger wiederum in das Amt des Ministerpräsidenten berufen. Da der liberale und auf politischen Ausgleich eingestellte Koerber mit Kaiser Franz Josephs Nachfolger, Kaiser Karl, keine Arbeitsebene fand (Kaiser Karl verweigerte den Eid auf die Verfassung), wurde Koerber noch im Dezember 1916 zum Rücktritt genötigt. Er galt als loyal zur Monarchie und versuchte diese ab 1900 mit einem Infrastrukturprojekt, dem "Koerber-Plan", auf neue Beine zu stellen. Dieser Koerber-Plan galt Zeitgenossen als das umfassendste Reformprogramm, dass die Monarchie je gesehen hatte. Allerdings wurde der Koerber-Plan, der unter anderem den Bau zahlreicher neuer Eisenbahnlinien und Wasserwege vorsah und den allgemeinen Wohlstand heben sollte, nur teilweise umgesetzt.
Am 10. März 1919 widmete der Historiker, Autor und Journalist Richard Charmatz Ernst von Koerber in dem in Wien erscheinenden Blatt Der Morgen einen empathischen und ausführlichen Nachruf:
"Als Österreich zerfiel, hatte das Leben von Dr. Ernest von Koerber seinen Inhalt verloren. Es war dem alten Staate gewidmet, ihm mit heißester, reiner Liebe hingegeben und deshalb zwecklos, als der Gegenstand der Verehrung, und Sorge, Leidenschaft und Opferfreudigkeit nicht mehr bestand. Der sonst so harte Tod brachte einem innerlich gebrochenen, entwurzelten Manne milde Erlösung. Dr. von Koerber wurde ein wirklich Großer in dem Reiche der Kleinen, der herrschenden Halbbegabungen oder Unfähigen; er entfaltete seine sprühende, vielseitige, anregungsvolle Persönlichkeit allen trägen Widerständen, boshaften Tücken und quälenden Erschwerungen zum Trotze. Hätte ihn ein gütiges Schicksal in die reine, freie Luft Englands gestellt, er wäre sicherlich einer von denen geworden, die man heute preisend Lloyd George nennt. Wer weiß aber, ob Lloyd George bei uns dazu gekommen wäre, ein Koerber zu sein! Wie freigiebig ist in Österreich mit der stolzen Bezeichnung Staatsmann umgegangen worden, wie viele Zwerge haben sich so nennen lassen und als Riesen gefühlt! Kaiser Franz Josefs letzter Ministerpräsident war jedoch nicht nur der zufällige Träger einer hohen Würde und schweren Bürde, sondern ihr geborener Anwärter, einer, der alle Gaben überreich besaß, die den vorbestimmten Lenker eines modernen Gemeinwesens kennzeichnen."
Link:
Der Staatsmann des Volkes (Der Morgen vom 10. März)