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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

5. November 1918

November 1918: Fliegender Markt in einer Straße nächst einem Wiener Bahnhofe: Soldaten verkaufen an Passanten Monturstücke und Lebensmittel
"Fliegender Markt in einer Straße nächst einem Wiener Bahnhofe: Soldaten verkaufen an Passanten Monturstücke und Lebensmittel aus Furcht, daß dieselben an den Landesgrenzen der neuen Nationalstaaten ihnen abgenommen werden"; © Das interessante Blatt vom 14. November 1918

Nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommen mit der Entente durch das Oberkommando der k.u.k. Armee am 3. November 1918 strömten tausende Soldaten von den Fronten unkontrolliert und planlos ins Hinterland, um in ihre jeweiligen neuen Heimatländer zu gelangen. In Wien kam es auf den Bahnhöfen zu chaotischen Szenen, da von dort aus auch zahlreiche ehemalige Kriegsgefangene – vor allem aus Russland – die Heimreisen antraten. In der ersten Novemberwoche wurden zeitweilig überhaupt nur Militärzüge angefertigt und Zivilpersonen die Mitnahme verweigert. Vor den großen Bahnhöfen entstanden fliegende Märkte, an denen die verschiedensten, auch militärische, Güter verkauft wurden.

Ähnliche Szenen spielten sich auch in Innsbruck ab, das unweit der italienischen Front lag und daher zum Durchzugsort für tausende Heimkehrer wurde. Der Allgemeine Tiroler Anzeiger berichtete am 5. November 1918 von den Innsbrucker Straßen:

"Schwere Autos und leichte Wägen poltern dahin, hochaufgepackt mit allerlei Gerümpel, mit Kanzleieinrichtungen, selbst Hühnersteigen. Auf den Straßen stehen sie reihenweise umher und es entwickelt sich ein förmlicher Jahrmarkt. Aerarisches Gut wird verkauft so gut wie der Hausrat der Südtiroler, Decken, Betten, Matratzen, Kästen, Schuhe, Leintücher, Mehl, Sessel, Kuhketten, Pferdegeschirre, Ledersachen und Riemen, Eisenösen, alles Mögliche bis zu eingemachten Gurken und Geigen. Das gibt uns ein Bild, wie es in Südtirol ausschauen mag. Gestern waren auch zu Fuß geflüchtete Soldaten bereits zu sehen, die den Weg über den Jaufen genommen. Sie erzählen, das Kommando habe gelautet: alles liegen und stehen lassen und davongehen, jeder rette sich wie er kann. Das ist die Auflösung, wie sie die Wiener Regierung meldet. Es gibt nichts zu beschönigen. – Die hohen militärischen Gewalthaber haben die Katastrophe vielleicht vorausgesehen, aber nicht danach gehandelt, um zu retten, was kluge Sachwalter wohl hätten retten können. Vertuschen war ja System im Zeitalter der verrücktesten Zensur und ganz besonders in diesen Kreisen."

Links:
Von den Innsbrucker Straßen (Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 5. November 1918)
Heute vor 100 Jahren: Der Zusammenbruch (4. November 1918)

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