Die landwirtschaftlich geprägte ungarische Reichshälfte der Monarchie konnte sich während des Weltkriegs besser mit Lebensmitteln versorgen als die österreichische und versuchte Lebensmittelschmuggel über die innerstaatliche Grenze entlang des Flußes Leitha nach Niederösterreich (damals "Österreich unter der Enns") mit allen Mitteln zu verhindern. Im heute burgenländischen Bad Sauerbrunn kam es sogar zu einem tragischen Todesfall als ein 13jähriger Bub, der einen Sack Mehl bei sich hatte, vom Dach eines Eisenbahnwaggons stürzte, wo er sich vor der ungarischen Zollwache verstecken wollte.
Von einem ähnlichen Fall aus dem damals ungarischen Rétfalu (heute Wiesen im Burgenland) berichtete die Salzburger Wacht am 5. Oktober 1918:
"…und schon wieder wird ein ähnlicher Fall aus Wiesen, der Station hinter Sauerbrunn, gemeldet. Letzten Freitag nachmittags suchte ein siebzehnjähriger Bursche, der fünf Kilogramm Mehl auf dem Rücken unter seinem Ueberzieher verborgen hatte, der Grenzpolizei dadurch zu entgehen, daß er auf das Dach eines Bahnwagens sprang. Doch der Grenzgendarm lief ihm auf das Dach nach. Der Bursche lief über die Stiege hinunter, dann wieder auf das Dach des nächsten Wagens, und so ging die lebensgefährliche Jagd fort über die Dächer des ganzen Zuges, bis der Bursche vor Müdigkeit zusammenbrach. Damit fand die Hetzjagd ihr Ende. Der Gendarm holte den Burschen vom Dache herunter und nahm ihm das Mehl weg."
Allerdings waren die kriegsmüden und von Hungersnot geplagten Augenzeugen ganz und gar nicht auf Seiten des Gendarmen:
"Die das sahen, waren über den Gendarmen, der das Leben des jungen Burschen, der gewiß kein Schleichhändler war, gefährdete, sehr empört, begnügten sich aber mit Pfuirufen."
Links:
Eine Jagd nach dem ungarischen Mehl (Salzburger Wacht vom 5. Oktober)
Heute vor 100 Jahren: Beim "Hamstern" ertappt (28. Mai 1918)
Heute vor 100 Jahren: Die Lebensmittelkrise in der cisleithanischen Reichshälfte der Monarchie (6. Jänner 1918)