Heute vor hundert Jahren wurde der wohl berühmteste Einbrecher Wiens, Johann Breitwieser verhaftet. Der "Meidlinger Einbrecherkönig" oder auch "Robin Hood Wiens", gelangte schnell zu Berühmtheit. Geboren wurde Johann "Schani" Breitwieser als sechstes von zwölf Kindern 1891 in Wien-Meidling. Die Familie stammte aus ärmlichsten Verhältnissen und der junge Breitwieser wuchs als Straßenkind auf. Schon 1906 geriet er zum ersten Mal in Konflikt mit dem Gesetz und bald wurde die Einbrecherbande "Bruderschaft der schwarze Larve" auf ihn aufmerksam und nahm ihn als Mitglied auf. Die Bande ging gemeinsam auf Raubzüge und verteilte einen Teil ihrer Beute unter den Armen. Den Spitznamen "Meidlinger Einbrecherkönig" bekam Breitwieser nachdem er das Kriegsministeriums einbrach und aus dem Tresor 80.000 Kronen (39.254,- Euro) entwendete. Im Ersten Weltkrieg wurde er an die Ostfront geschickt, wo er psychische Anfälle simulierte und deshalb in das psychiatrische Krankenhaus Am Steinhof verlegt wurde, von wo ihm 1917 die Flucht gelang.
Am 7. April 1918 berichtete die Neue Zeitung über die Verhaftung Breitwiesers: "Gestern vormittags ist es endlich gelungen, dem seit längerer Zeit gesuchten, gefährlichen Einbrecher Johann Breitwieser auf der Schmelz zu verhaften. Gegen halb 10 Uhr vormittags bemerkten ein Polizeiagent und ein Korporal der Militärpolizei den Verfolgten, als dieser das Haus in der Dreyhausenstraße 40 verließ [...]
Der Polizeiagent und der Korporal der Militärpolizei machten sich sofort an die Verfolgung Breitwiesers, der das bemerkte, zog einen Revolver und gab mehrere Schüsse gegen die beiden Wachorgane sowie auch gegen einen Inspektor der Sicherheitswache ab, der sich der Verfolgung anschloß. Nun begann eine wilde Jagd nach dem Verfolgten, der glücklicherweise ohne zu treffen, immerfort nach rückwärts schoß, während auch die Verfolger von ihren Schußwaffen Gebrauch machten und ihm Schüsse nachsandten, ebenfalls ohne ihn zu treffen. Eine große Menschenmenge schloß sich an: in wilder Flucht ging es durch mehrere Straßenzüge. an der Gummifabrik der Semperitwerke vorbei, der Schmelz zu, über Felder und Wiesen, die Polizisten dem Fliehenden immer hart aus der Ferse. Breitwieser blieb einen Augenblick wie erschöpft stehen und schon glaubten die Verfolger seiner habhaft zu werden, als er neuerdings tief Atem schöpfend aufs neue die Flucht, in regellosem Zickzack über die Schmelz begann, indem er noch ungefähr zwanzig Schüsse aus zwei Revolvern, die er bei sich hatte, abgab. Dann eilte er in die Richtung des Erzherzog Rainer-Spitals weiter. Hier konnte er endlich nächst der Totenkammer des Spitals vor Erschöpfung nicht weiter. Man sah, wie ihm der Atem ausging, wie er zu taumeln begann, und plötzlich zu Boden stürzte. Noch suchte er sich mit Händen und Füßen zu wehren, bis er überwältigt und zum Kommissariat Rudolfsheim in der Tannengasse gebracht wurde."
Trotz Sicherheitsvorkehrungen konnte Breitwieser im Dezember 1918 erneut fliehen und erst im April 1919 wieder aufgespürt werden. Sein letzter großer Coup gelang ihm am 18. Jänner 1919 als er gemeinsam mit seiner Bande in die Hirtenberger Munitionsfabrik einbrach und eine halbe Million Kronen (245.335,- Euro) erbeutet. Am 1. April 1919 wurde sein Haus im niederösterreichischen St. Andrä-Wördern, Riegergasse 5, von der Polizei umstellt und unter Beschuss genommen. Es gelang der Polizei ihn zu fassen, allerdings war Breitwieser schwer verwundet und erlag am darauffolgenden Tag seinen Verletzungen. Zeitgenossen berichteten, dass an seinem Begräbnis zwischen 20.000 und 40.000 Personen teilnahmen, was von der Popularität des Wiener Volkshelden zeugt.
Bis heute ist Johann "Schani" Breitwieser eine beliebte Vorlage für Singspiele, Romane und Fachbücher. So führte beispielsweise das Wiener Schauspielhaus 2014 "Johnny Breitwieser, eine Verbrecher-Ballade aus Wien" auf.
Links:
Verhaftung des Einbrechers Breitwieser (Die Neue Zeitung vom 7. April 1918)
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