Am 6. Juli 1918 erschien in der Wiener Allgemeinen Zeitung eine besonders genaue Schilderung einer Kriegspropagandaveranstaltung am Wiener Heldenplatz. Es handelte sich um den "Ersten Mörser-Tag" am Wochenende, Samstag, 6. Juli, und Sonntag, 7. Juli, 1918:
"An dem der Ringstraße zugekehrten Gitter des Volksgartens sind jetzt weiße Plakate angebracht, auf welchen zu lesen ist: 'K.u.k. Militär-Witwen- und -Waisenfonds – Zugang zum Mörser' Einer der berühmten österreichisch-ungarischen 30,5-Zentimeter Motormörser ist auf dem mittleren Gehweg zum Erzherzog Karl-Denkmal auf dem Heldenplatz postiert. Im Hintergrund stehen zwei riesige Motorwägen der Daimler-Werke. Zu Exerzierübungen mit dem Geschütz, das von der Piavefront zur Reparatur nach Wien gekommen ist und dem 6. ungarischen Artillerie-Regiment (Budapest) angehört, ist ein Bataillon dieses Regiments gestellt. Auf der vorderen Wiese des Heldenplatzes hat die Musikkapelle der Deutschmeister Aufstellung genommen und lässt in kurzen Abständen ihre flotten Weisen hören. Nicht weit von dem Motormörser und den dort kampierenden Soldaten befindet sich eine Zeichnungsstelle der 8. Kriegsanleihe, ein schön drapiertes Zelt, in dem sämtliche Wiener Banken vertreten sind, und zwar derart, daß je zwei Herren, die von den einzelnen Banken delegiert werden, sich in drei Schichten täglich ablösen; man kann also dort zu jeder Zeit auf jedes beliebige Bankkonto 8. Kriegsanleihe zeichnen.
Die Mörser-Aktion, mit der die Propaganda des Militär-Witwen- und -Waisenfonds Hand in Hand geht, wurde heute um 10 Uhr vormittags auf dem Heldenplatz eröffnet. Die Passanten, die, meist unvorbereitet über die neue Aufstellung des Mörsers, den Platz durchquerten, ließen sich von der Musik und dem zur Schau gestellten mächtigen Geschütz anlocken. Um halb 12 Uhr wurde die erste Exerzier-Übung, das Laden der Kanone, abgehalten. Ein zahlreiches Publikum hatte sich bereits angesammelt. Darnach trat Oberleutnant Tippmann des k.u.k. Kriegspressequartiers vor den Mörser und richtete eine Ansprache an die dicht gescharte Menge. In ebenso einfachen wie dringlichen Worten wies er auf die Bedeutung der 8. Kriegsanleihe hin. Er pries zunächst das 30,5-Zentimeter-Geschütz als technische Errungenschaft und als Zeugnis österreichischen Unternehmungsgeistes, besprach dann seine Rolle im Kriege als machtvolle Waffe. 'Wer Kriegsanleihe zeichnet, der bringt dem Vaterland kein Opfer, sondern trägt zur Beschleunigung des Friedens und zum Abbau der Teuerung bei. Der Kampf, der zum Siege führt, erfordert Waffen, die Waffen kosten Geld. Wer also ein baldiges siegreiches Ende wünscht zeichne 8. Kriegsanleihe.' Diesen Redner löste sodann ein schneidiger Feuerwerker ab, der in einem schwäbelnden Dialekt – wohl ein Siebenbürger Sachse – die Technik des Motormörsers erklärte und seine prüfenden Blicke in das Auditorium warf, ob man ihn auch richtig verstehe.
Wer also um diese Zeit den äußeren Burgplatz passierte, kam unerwartet und billig – es kostet nämlich nichts – zu einem artilleristischen Lehrkurs. Die erste Exerzierübung, die einigemal im Tag wiederholt wird, wurde von einer Film-Expositur des k.u.k. Kriegspressequartiers kinematographisch aufgenommen. Der Wachtmeister des Bataillons meinte schmunzelnd: 'Jetzt kommen wir auch ins Kino!' Wie eine Anfrage um die Mittagsstunde ergab, war der Zeichnungsverkehr am ersten Halbtag, der von schönem Wetter begünstigt war, ein recht zufriedenstellender. Der Hauptandrang ist für morgen Sonntag zu erwarten."
Link:
Der erste Mörser-Tag (Wiener Allgemeine Zeitung vom 6. Juli 1918)