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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

6. Juni 1918

Polygamie, Karikatur 1925
Polygamie, Karikatur 1925; © Die Mutter. Halbmonatsschrift für alle Fragen der Schwangerschaft, Säuglingshygiene und Kindererziehung vom 1. November 1925

Die "Vielweiberei" nach dem Kriege war Thema in der Grazer Mittagszeitung vom 6. Juni 1918: "Englische und französische Zeitungen erörtern ernstlich die Frage, nach dem Friedensschlusse für etliche Jahre die Vielweiberei in Europa zuzulassen. Jeder Mann soll das Recht haben, zwei Frauen zu heiraten."

Ob die Regierungen der mit Österreich-Ungarn verfeindeten Staaten tatsächlich vor hatten Polygamie zu erlauben, geht aus dem Artikel nicht hervor, da es sich in erster Linie wohl um Kriegspropaganda handelte. Ähnliches, bloß mit umgekehrten Vorzeichen, berichtete die die Illustrierte Kronen-Zeitung am 5. Jänner 1916: "Die Zeitung 'Temps' berichtet in ihrem Leitartikel im vollsten Ernste, daß Kaiser Wilhelm die angeblich 'alte deutsche Sitte' der Vielweiberei wieder einführen wolle. Den leichtgläubigen französischen Lesern wird erzählt, daß dieser Gedanke aus rein praktischen Gründen gefaßt wurde, um die Menschenverluste des Krieges durch dieses höchst einfache Mittel wieder einzubringen."

Der Bevölkerungsrückgang durch den Ersten Weltkrieg war aber nach 1918 tatsächlich ein großes Problem – nach Schätzungen waren rund 2 Millionen junge Frauen nach dem Krieg zur Ehelosigkeit gezwungen. In der zeitgenössischen französischen Literatur befasste man sich deshalb in den 1920er Jahren mit Mutterschaftspolitik und Polygamie. Dies stieß allerdings unter anderem bei Feministinnen und Feministen auf großen Widerstand, da die Polygamie – insbesondere wenn sie ausschließlich Männern erlauben würde mehrere Ehepartnerinnen zu heiraten – die rechtliche Stellung der Frau verschlechtern würde. Zu ernsthaften Überlegungen die Polygamie einzuführen kam es deshalb in keinem der ehemals kriegsteilnehmenden Staaten.

Kaum zu glauben ist aber das erneute Aufkommen der Idee der "Vielweiberei" auf offizieller Ebene während des Nationalsozialismus. Angestoßen von Heinrich Himmler, fand auch Adolf Hitler Gefallen an dieser Idee. Nach dem deutschen Sieg, wenn es an Männern mangeln würde, sollte dieses Modell zum schnellen Bevölkerungswachstum beitragen.

Links:
Europäische Vielweiberei nach dem Kriege (Grazer Mittagszeitung vom 6. Juni 1918) 
Weiterlesen: Die Welt bis gestern: Sex im 3. Reich: Im Bett war der "Führer" machtlos

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