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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

7. August 1918

Flaurling im Oberinntal, Tirol
Flaurling im Oberinntal, Tirol, um 1925; © Österreichische Nationalbibliothek, Ansichtskarten Online AKON

Am 7. August 1918 veröffentlichte Das Abendblatt – Unabhängige Tageszeitung für die Landeshauptstadt Innsbruck eine offenbar an der Zensur "vorbeigelotste", sehr eindringliche Schilderung über die Versuche von hungernden Innsbruckern an Frühkartoffeln zu kommen:

"Nun ist es gelungen, wenigstens eine kurze Schilderung über die Vorfälle beim jüngsten Kartoffelzug ins Oberinntal an der Scylla der gestrengen Zensur vorbeizulotsen. In Flaurling erwartete am 30. Juli eine große Menge die Ankunft des Abendzuges ab. Es waren, wie dem 'A.T.A.' geschrieben wird, Personen aus der Stadt, sehr viele Kinder und Frauen, bepackt mit schweren und schwersten Rucksäcken, vollgestopft mit Frühkartoffeln. Schon war eine verstärkte Militärpatrouille in Sicht. In diesem Augenblick fuhr der Zug in den Bahnhof ein. Im ersten Augenblick schien es, als ob die vielen Leute unmöglich in dem Zuge untergebracht werden könnten. Allein der diensthabende Beamte hatte schon lange vorher in Telfs die Anhängung von zwei Wägen besorgt. Es waren zwar nur Viehwagen, aber das machte nichts. Die Steigbretter wurden angelegt und alt und jung half sich gegenseitig in den Wagen hinein. Eben hatte der letzte Rucksack sein Plätzchen bekommen, da kam die Militärabteilung zum Bahnhof herein. Es war aber schon zu spät, der Zug fuhr bereits ab! Die Leute im Zuge waren natürlich ganz außer sich vor Freude und schrien und lachten und jubelten und schwangen die Sacktücher. Ihre Kartoffeln waren gerettet! – Auch in Telfs hatte sich am gleichen Tage vor Ankunft des Nachmittagszuges eine nach vielen Hunderten zählende Menge von Innsbruckern auf dem Bahnhofe angesammelt. Alle waren schwer bepackt mit Kartoffelsäcken. Auf einmal kam Gendarmerie und Militär und beschlagnahmte die Kartoffeln. Mit Tränen in den Augen baten Kinder und alte Leute, ihnen die Kartoffeln zu lassen, da sie sonst verhungern müßten. Umsonst! Einer nach dem anderen mußte die Kartoffeln ausschütten, die sie teuer gekauft und weit hergeschleppt hatten, und den eigenen Namen und den des Verkäufers, sowie den Preis, den sie für die Kartoffeln gezahlt hatten, angeben. Viele Leute baten mit aufgehobenen Händen, man möge ihnen die Kartoffeln lassen. Als die Kartoffeln ausgeschüttet waren, trat in der Menge, in der früher furchtbares Drängen, Schreien und Weinen geherrscht hatte, eine merkwürdige Stille ein. Wie zerschlagen warteten sie die Ankunft des Zuges ab. Endlich kam dieser und führte die armen Menschen in die arme Stadt!"

Links:
Der Kampf um die Erdäpfel (Das Abendblatt – Unabhängige Tageszeitung für die Landeshauptstadt Innsbruck vom 7. August 1918)
Heute vor 100 Jahren: Vom Hamstern (28. Mai 1918)

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