Am 7. Dezember machte sich der Schriftsteller Joseph August Lux Gedanken über die Zukunft Wiens und darüber was wohl mit den vielen kaiserlichen Krongütern geschehen würde:
"Die Auflösung des Hofstaates macht ungeheure Werte zum Nationalgut. Wien hat plötzlich ein weites Gewand, fast allzu weit für die vorläufige Schmächtigkeit. Scheint ja schon das Parlament zu groß nach dem Exodus der Völker, die auf den heiligen Berg gezogen sind. Nun erst der leer gewordene höfische Bezirk, eine ganze Stadt in der Stadt, die alte und neue Burg mit ihrem Drum und Dran. Schönbrunn und die vielen Schlösser im Land. Ohne der künftigen Bestimmung vorzugreifen, sei erklärt, daß hier jeder Stein heilig ist. Man stelle Wachen auf, um sie vor jedem Anschlag zu schützen, auch dem der kapitalistischen Gewinnsucht […] Darum sei jetzt schon einiger Möglichkeiten gedacht. Bedeutende Galerien leiden an Raummangel, so die Gemäldesammlung der Akademie; das Ethnographische Museum ist ohne Obdach; eine große Nationalbibliothek fehlt gänzlich: die Akademie sehnt sich aus den ungeeigneten Räumen hinaus ins Freilicht und würde in Schönbrunn und dessen Pavillons ein treffliches Unterkommen haben; Schlösser dürften sich als Künstlerheime gastlich auftun, die sich allzu lebensfeindlich abgeschlossen haben, man denke an Klesheim bei Salzburg; die neue Burg, diese tote Architektur, könnte einzig noch für eine oder mehrere dieser Galerien eine Daseinsberechtigung gewinnen, und das schauderhafte Kriegsministerium unseligen Andenkens Franz d'Estes würde immerhin ein brauchbares Stadtmuseum abgeben, für das den Herren im Rate ein Otto Wagner zu schlecht war! Staatsämter, die zum Teil unzweckmäßig in Zinshäusern untergebracht sind, wie das Eisenbahnministerium und andere, dürften ja bei dem verkleinerten Zuschnitt in den Staatsgebäuden wieder Unterkunft finden."
Tatsächlich sollte es teilweise so kommen wie Lux es prophezeite: In die Neue Burg zogen die Nationalbibliothek und das Ethnographische Museum (heute "Weltmuseum") ein und das Gebäude des "schauderhaften Kriegsministeriums" am Wiener Parkring beherbergt heute eine Reihe verschiedener Ministerien, während das Stadtmuseum nach dem Zweiten Weltkrieg einen Neubau am Karlsplatz erhielt.
Rechtliche Grundlage für die Übernahme der ehemaligen habsburgischen Besitzungen war das Gesetz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen vom 3. April 1919, das gemeinsam mit anderen die Habsburger betreffenden Gesetze (etwa das Teile des Wahlrechts) auch als "Habsburgergesetz" bekannt ist. Das Habsburgergesetz, das während der Dollfuß-Schuschnigg Diktatur vorübergehend aufgehoben wurde, ist bis heute gültig. Seit dem Wahlrechtsänderungsgesetz von 2011 sind die Familienmitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen allerdings zur Wahl des Bundespräsidenten zugelassen.
Links:
Die Zukunft Wiens (Neues Wiener Journal vom 7. Dezember 1918)
Die Zukunft des Schönbrunner Schlosses und der Hofburg (Bericht über eine Sitzung der Staatssekretäre und des Wiener Bürgermeisters im Fremden-Blatt vom 6. Dezember 1918)
Heute vor 100 Jahren: Das Schicksal der kaiserlichen Jagdschlösser in der Steiermark nach 1918 (3. Dezember)
Weiterlesen: Ein Vermögen verliert seine BesitzerInnen – Habsburgervermögen nach 1918
Weiterlesen: Otto und der Austrofaschismus
Weiterlesen: Gesetz vom 3. April 1919, betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen