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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

7. Februar 1919

Die wiedergefundene Stradivarius. Das Hubermann-Konzert im Sicherheitsbüro
"Die wiedergefundene Stradivarius. Das Hubermann-Konzert im Sicherheitsbüro"; © Illustrierte Kronen-Zeitung vom 8. Februar 1919

Im Jänner 1919 wurde im Wiener Hotel Imperial eine besonders wertvolle Violine gestohlen. Die im Jahr 1713 gefertigte Gibson-Stradivari befand sich damals im Besitz des aus einer polnisch-jüdischen Familie stammenden Bronisław Huberman, der als einer der bedeutendsten Geigenvirtuosen des des 20. Jahrhunderts gilt. Am 6. Februar 1919 konnte der Dieb gefasst werden während das wertvolle Instrument in einer Wohnung in der Bäuerlegasse 29 in Wien-Brigittenau sichergestellt wurde. Die Stradivari wurde in die Polizeidirektion gebracht, Huberman vom Fahndungserfolg informiert und in die Polizeidirektion geladen, wo er das Instrument am 7. Februar 1919 um 1 Uhr morgens in Empfang nahm. Wie die Illustrierte Kronen-Zeitung am 7. Februar berichtete, spielte er gleich darauf, um zu überprüfen, ob dem Instrument nichts geschehen war:

"Es ist eine Stunde nach Mitternacht. Alle Lokale sind geschlossen. Tiefe Stille herrscht überall. Nur aus einem Hause tönen seltsame Klänge, Geigentöne, die von der Hand eines Meisters dem Instrument eines Meisters entlockt werden. So mag sich wohl der Dichter des 'Hexenlied' gedacht haben, bei dessen Klängen 'es war als trüge herüber die Luft fremdländischer Blumen berückenden Duft.' Erst klang es schüchtern und zaghaft, dann aber in mächtiger Tonfülle, wie freudiges Jauchzen und wie tiefes Schluchzen, machtvoll wie Orgelklang, trillernd wie Vogelgezwitscher, süß und zu Herzen gehend und dann mit einem rauhen jubelnden Aufschrei endend."

Die Gibson-Stradivari wurde 1936 ein weiteres Mal, diesmal aus der Hubermans Künstlergarderobe der Carnegie Hall in New York gestohlen. Diesmal dauerte es bis 1985, bis die Geige wieder auftauchte: am Sterbebett gestand der Geiger Julian Altmann, dass er die Gibson-Stradivari 1936 einem Hehler um 100 Dollar abgekauft habe. Heute gehört die Gibson-Stradivari Joshua Bell, der sie 2001 um etwa 4 Millionen Dollar kaufte.

Huberman, der sich auch politisch äußerte, als Vorkämpfer des Europa-Gedankens und Humanist gilt, emigrierte 1937 im Angesicht des drohenden "Anschlusses" aus Wien in die Schweiz, gründete ein jüdisches Orchester und konnte so etwa 100 jüdische Familien vor dem Holocaust retten. Er starb 1947 in der Schweiz. In Wien-Liesing ist heute die Hubermanngasse (Schreibweise mit doppeltem "n") nach dem großen Virtuosen benannt.

Die Geschichte der Gibson-Stradivari war so spektakulär, dass sie den französischen Schriftsteller Frédéric Chaudière zu seinem Roman "Geschichte einer Stradivari" inspirierte.

Links:
Die Geigen Hubermanns entdeckt (Illustrierte Kronen Zeitung vom 7. Februar 1919)
Weiterlesen: Die Geschichte mit der Gibson-Huberman
Weiterlesen: Joshua Bell: Here's the story behind my very famous, once-stolen violin 
Weiterlesen: Frédéric Chaudière, Geschichte einer Stradivari (Roman)

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