Am 9. September 1918 berichtete die Illustrierte Kronen-Zeitung über eine Mitteilung der Wiener Bezirkskrankenkasse, die aufgrund der erschreckenden Zunahme von Geschlechtskrankheiten erging:
"Es ist allgemein bekannt, daß während des Krieges die Geschlechtskrankheiten eine sehr bedeutende Zunahme erfahren haben. Damit ist die Erkrankungsgefahr für jeden einzelnen wesentlich gesteigert. Es ist daher dringend geboten, eine eventuelle Erkrankung möglichst frühzeitig ärztlich festzustellen und fachgemäß behandeln zu lassen. Es wird zu diesem Zweck auf die nachstehend verzeichnete Behandlungs- und Beratungsstellen, insbesondere auf die neueingerichteten Abendordinationen aufmerksam gemacht, durch die es erwerbsfähigen Versicherten ermöglicht ist, nunmehr auch ohne Unterbrechung der Berufstätigkeit ärztlichen Rat in Anspruch zu nehmen."
Während vor dem Ersten Weltkrieg sich rund 5,6% der österreichisch-ungarischen Soldaten mit einer Geschlechtskrankheit ansteckten, waren es 1915 bereits 12,2%. Ein Hauptgrund für die schnelle Verbreitung von Geschlechtskrankheiten war die kriegsbedingte Zunahme der Prostitution; zahlreiche Frauen prostituierten sich auch aufgrund ihrer prekären Lebenssituationen. Die Abwesenheit der Ehemänner, die an die Fronten kommandiert wurden, beförderte außerdem die Geheimprostitution. Um die Sexualmoral zu erhöhen – während die männliche Inanspruchnahme der Prostitution kaum verpönt war, wurde jeglicher außereheliche Geschlechtsverkehr der Frau als "Hurerei"abgetan –, propagierte die österreichische Regierung sexuelle Enthaltsamkeit und erleichterte (auch posthume) Eheschließungen, allerdings mit mäßigem Erfolg.
Links:
Die Zunahme der Geschlechtskrankheiten (Illustrierte Kronen-Zeitung vom 9. September 1918)
Heute vor 100 Jahren: Die Sexualmoral im Krieg (5. November 1917)
Weiterlesen: Geschlechtskrankheiten und deren Bekämpfung in der k.u.k. Armee
Weiterlesen: Zur sexuellen Entspannung der Soldaten