Nachdem sich die italienische Heeresführung Anfang Dezember 1917 aus der Stadt Cortina d'Ampezzo zurückgezogen hatte, verbreiteten sich in ganz Tirol Meldungen über die noch intakten Nahrungs- und Lebensmittellager der Italiener. Der Allgemeine Tiroler Anzeiger am 3. Dezember 1917 berichtete: "Anläßlich des Abzuges der Italiener von Ampezzo drang von Lienz bis Bozen mit Windeseile die Kunde, daß die guten Cortinenser im Besitze allerlei kostbarer Schätze wie Reis, Kaffee, Makkaroni usw. seien. Auch gebe es in Cortina schöne Schuhe, Kleiderstoffe, feine Seifen, kurz, alles was das Herz begehrt, und zu den billigsten Preisen." Aufgrund dieser Meldung hatten es "Hamsterer, Agenten und andere höchst eilig" über die Grenze nach Cortina zu gelangen. Doch kamen die meisten dieser "Hamsterer" nicht weiter als zur grenznahen Gemeinde Toblach, wo sie von Feldpolizei und Gendarmarie daran gehindert wurden, weiter in Richtung Cortina zu ziehen.
Je länger der Krieg andauerte, desto aktiver wurden die "Hamsterer", also Personen, die weitab Ihrer städtischen oder dörflichen Umgebung nach Lebensmitteln, Brennholz und ähnlichem suchten und dafür oft ihre letzten verbliebenen Wertsachen eintauschten.
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Die abgeblitzten "Hamsterer" (Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 3. Dezember 1917)
Weiterlesen: Hamstern, Anstellen, Selbermachen: individuelle Versorgungsstrategien werden unabdingbar
Als Neunundsiebzigjähriger meldete sich der Tiroler Gaspar Wallnöfer freiwillig zum Militärdienst, um ein drittes Mal gegen Italien zu kämpfen, wie die Österreichische Landzeitung am 4. Dezember 1917 stolz verkündete. Schon als zehnjähriger Bub nahm Wallnöfer an den Kämpfen in Folge der 1848er Revolution in Norditalien teil und wurde wegen seines Mutes mit einer silbernen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. 1866, also knapp 2 Jahrzehnte später, erhielt er im Zuge der italienischen Einigungskriege wegen der Eroberung einer italienischen Kanone sogar die goldene Tapferkeitsmedaille.
Wallnöfer, der bis Kriegsende im Herbst 1918 diente, dürfte der weltweit älteste reguläre Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkrieges gewesen sein.
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Der Tiroler Oberjäger Gaspar Wallnöfer (Österreichische Landzeitung vom 4. Dezember 1917)
Am 5. Dezember bestätigte das Oberlandesgericht Linz ein Urteil gegen die Gemeinde Bad Ischl über die Zahlung von Schmerzensgeld und Heilungskosten in der Höhe von 7.208 Kronen (entspricht ungefähr EURO 42.000,- legt man der Berechnung den Wert der Krone unmittelbar vor Kriegsausbruch zugrunde).
Was war geschehen? Im Juli 1917 befand sich eine Familie aus Wien auf Sommerfrische in Bad Ischl, wo es während eines Spaziergangs durch den Kurpark zu einem folgenschweren Zwischenfall kam. Genau in dem Moment, als der schulpflichtige Sohn der Familie Alois P. unter einer Bogenleuchte stand, löste sich die Lampe und traf den Buben am Kopf. Alois P. wurde schwer verletzt und erlitt einen Schädelbasisbruch.
Der Vater des Schülers klagte daraufhin die Gemeinde, da diese – als Eigentümerin des Elektrizitätswerks – unqualifiziertes Personal für die Wartung der Lampen eingesetzt hätte, und daher hafte: "Das Drahtseil, an dem die Lampe hing, sei beim Sturze gerissen, weil es rostig war, was bei genügender Kontrolle hätte bemerkt werden müssen."
Das Erstgericht in Wels gab dem Kläger deshalb Recht. Zwar berief die Gemeinde Bad Ischl gegen das erstinstanzliche Urteil, blieb damit aber vor dem Berufungssenat des Oberlandesgerichts Linz erfolglos.
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Aus dem Gerichtssaale (Linzer Tages-Post vom 7. Dezember 1917)
Der rasche und heftige Wintereinbruch Anfang Dezember 1917 belastete in der gesamten Monarchie die wegen des Krieges bereits prekäre Versorgung mit Kohle. Am 6. Dezember 1917 berichtete die Österreichische Land-Zeitung, dass die Behörden der Stadt Graz schon Anfang Dezember aufgrund fehlender Kohlevorräte den Betrieb des Gaswerkes in Graz eingestellt hätten. Davon betroffen waren mehr als 11.000 Verbraucher, "unter denen sich viele Behörden, städtische Anstalten, gewerbliche Betriebe und selbstverständlich auch zahlreiche Privatwohnungen befinden, so daß die Einstellung des Betriebes unabsehbaren Schaden für die Stadt bedeutet. Die steirischen Abgeordneten haben sich an den Minister für öffentliche Arbeiten mit eindringlichen Vorstellungen gewendet; der Minister sagte zu, daß sofort 50 Waggons Ostrauer Kohle nach Graz abgehen werden. Diese Menge genügt aber kaum für eine Woche, da täglich an zehn Waggons Kohle benötigt werden."
Das erste Grazer Gaswerk an der Steyrergasse wurde 1846 von der "Germanischen Gazbeleuchtungs Gesellschaft" errichtet. Aus ökologischen Gründen wurde die Fabrik damals außerhalb der Stadt gebaut. Allerdings wuchs die Stadt schneller als gedacht, sodass die Anrainer der Steyrergasse schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts unter der Umweltverschmutzung litten, die vom Gaswerk ausging. Die Stilllegung des Gaswerks erfolgte aber erst 1940, nachdem in Rudersdorf eine neue Fabrik errichtet worden war.
Links:
Graz ohne Gas! (Österreichische Land-Zeitung vom 6.Dezember 1917)
Weiterlesen: Die explodierende Stadt (PDF)
Am 7. Dezember 1917 beschloss der amerikanische Kongress einstimmig die Kriegserklärung an Österreich-Ungarn, die am 11. Dezember formell proklamiert wurde. Während die österreichische Öffentlichkeit bereits am 10. Dezember davon erfuhr, dauerte es noch bis zum 19. des Monats bis die Kriegserklärung offiziell an die österreichisch-ungarische Regierung übergeben werden konnte. Dem Deutschen Reich war wegen des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs bereits am 6. April 1917 der Krieg durch die amerikanische Regierung erklärt worden.
Aufgrund des Abbruchs der diplomatischen Beziehung zwischen der österreichisch-ungarischen und der amerikanischen Regierung mussten die beiden Regierungen über neutrale Vermittler kommunizieren: Der amerikanische Botschafter in Madrid übergab die Kriegserklärung deshalb an die spanische Regierung mit der Bitte sie an das k.u.k. Ministerium des Äußeren weiterzuleiten, was am 18. Dezember auch geschah.
Erst am 19. Dezember informierte das amerikanische Außenministerium offiziell die schwedische Gesandtschaft in Washington über die Kriegserklärung, da diese nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und den Vereinigten Staaten die Interessen des Kaiserreiches vor Ort wahrnahm.
Links:
Amerikas Kriegserklärung (Arbeiter Zeitung vom 10. Dezember 1917)
Weiterlesen: Wie Amerika zum Feind wurde
Aufgrund der nahenden Weihnachtsfeiertage beschäftigte sich das Neuigkeits-Welt-Blatt am 8. Dezember 1917 mit dem österreichisch-ungarischen Postpaketverkehr. Aufgrund der Kriegssituation kam es im Postverkehr nämlich zu regelmäßigen Verspätungen. Um diese zu vermeiden und auch ansonsten einen reibungslosen Weihnachtspostverkehr zu gewährleisten, wies die k.u.k. Post und Telegraphenverwaltung Anfang Dezember auf einige dieser Regelungen besonders hin. Die "Verzehrungssteuer" war eine davon: "Bei verzehrungssteuerpflichtigen Sendungen ist der Inhalt in jenen Gattungen und Mengen, nach denen die Verzehrungssteuer berechnet wird, auf der Begleitadresse und der Sendung zu bezeichnen."
Links:
Der Weihnachts-Postpaketverkehr (Neuigkeits-Welt-Blatt vom 8. Dezember 1917)
Weiterlesen: Die Verzehrungssteuer 1829-1913 als Grundlage einer umwelthistorischen Untersuchung des Metabolismus der Stadt Wien (PDF)
Am 9. Dezember 1917 wurde das Singspiel "Frauenlist" in der Wiener Volksoper uraufgeführt. Das von dem in Budapest geborenen Komponisten Josef Heller komponierte Stück erhielt am darauffolgenden Montag eine ausgiebige Kritik in der Zeitschrift Der Morgen: "Hellers Musik strömt angenehm dahin, ohne je ein Hohes oder Tiefes zu rühren. Vieles in dieser Spieloper, besonders die leicht beschwingten Rhythmen, weisen zur Operette hin, auf welchem Gebiete der Komponist wohl noch einmal Ersprießliches leisten könnte. Die Darsteller (Die Damen Rantzau und Wagschal, die Herren Rittersheim und Bandler) waren mit Lust bei der Sache und wurden am Schlusse mit dem Komponisten nach Gebühr gefeiert."
Heller betätigte sich seit 1896 als Kapellmeister in Wien. 1917 wurde er Musikkritiker beim Wiener Fremdenblatt und bei der Wiener Mittagszeitung. Heller, der mit der Opernsängerin Erika Neuberger verheiratet war, wurde 1927 der erste Preisträger des Wiener Komponisten-Wettbewerbes. Er verstarb nach schwerer Krankheit am 4. Oktober 1932 im Alter von 57 Jahren und wurde am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
Link:
Volksoper (Der Morgen. Wiener Montagblatt vom 10. Dezember 1917)
Am 10. Dezember 1917 wurde die Sängerin und Schauspielerin Valerie Nuschei zu Grabe getragen. Sie wurde Opfer eines Gewaltverbrechens, das von ihrer Kollegin Berta Hanus begangen wurde. 1917 berichteten die Zeitungen von einem Raubmord, spätere Blätter von einem Totschlag im Affekt. Jedenfalls wollte Berta Hanus mit ihrer Freundin Valerie Nuschei alleine und ohne Zeugen sprechen. Um sicherzugehen, dass sich Nuschei alleine zuhause befände, rief Hanusch im Café Meißnerhof an, das sich in demselben Gebäude in der Worellstraße 2 befand, in dem Nuschei wohnte, und ließ ihr ausrichten, dass eine Lebensmittellieferung für sie am Wiener Südbahnhof abzuholen sei und sie ihre Magd dorthin schicken solle. Als Berta Hanus sicher war, dass Frau Nuschei alleine war, machte sie sich auf den Weg zu ihr. Im Zuge des Besuchs kam es zur Tat: "Mit der Handtasche, in der die Hacke verborgen war, begab sich die Hanusch vom Telephonautomaten geradenwegs in die Wohnung ihrer früheren Kollegin und Freundin. Gegen halb 1 Uhr nachmittags langte sie dort an, und nach kurzem Verweilen führte sie die Tat aus, während ihr die unglückliche Frau einen Brief vorlas." Hanus wurde noch am Tatort gestellt.
Von einem Schwurgericht zu Tode verurteilt, wurde sie im Oktober 1918 zu lebenslanger Haft begnadigt und 1927 auf Bewährung aus der Haft entlassen. Nach ihrer Entlassung sollte Berta Hanus 1929 und 1934 wieder vor Gericht stehen, wo sie beide Male des Diebstahls angeklagt war und 1934 zu 6 Monaten Haft verurteilt wurde.
Links:
Der Raubmord in Mariahilf (Fremden-Blatt vom 10. Dezember 1917)
So schaut Gerechtigkeit aus! Es geht um ein Menschenleben. (Grazer Tagblatt vom 10. Juli 1929)
Am 11. Dezember 1917 wurde aus Bregenz über den Fortschritt bei der Vorarlberger Landes-Flurnamensammlung berichtet, mit der Mitte 1914 begonnen worden war. Mehr als 90 – wohl überwiegend ehrenamtliche – Mitarbeiter befassten sich landesweit mit der vom Vorsitzenden der "Historischen Kommission" Adolf Helbok initiierten Erhebung: "Die größten Erwartungen knüpfen sich natürlich an den Abschluß der Arbeiten in den südlichen Landesteilen mit ihrem eigenartigen, erst teilweise erforschten Namenmaterial." Tatsächlich war die weiter nördlich gelegene Gemeinde Gaissau die erste, "deren Bestand durch Pfarrer Marte musterhaft gesammelt vorliegt."
Mittlerweile liegen die ersten Bände eines aktuellen und umfassenden Vorarlberger Flurnamenbuches vor, das überlieferte topografischen Bezeichnungen enthält (Namen von Bergen, Almen, Ortschaften, Wegen, Gewässern usw.). Eine Schwierigkeit, die sich dabei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stellte, sind unterschiedliche Bezeichnungen für ein- und dasselbe Flurstück. Diese unterschiedlichen Namen lassen sich unter anderem auf die Besiedlung Vorarlbergs durch verschiedene Volksstämme erklären (etwa durch Alemannen, Räter oder Walser).
Das moderne Vorarlberger Flurnamenbuch, mit dessen Publikation 1970 begonnen wurde, und vom dem bisher 9 Bände mit 38.554 Flurbezeichnungen erschienen sind, ist Teil des Nationalen Verzeichnisses der Österreichischen UNESCO-Kommission für das immaterielle Kulturerbe der Republik Österreich.
Links:
Zur Landes-Flurnamensammlung (Vorarlberger Volksfreund vom 13. Dezember 1917)
Weiterlesen: Digitaler Atlas Vorarlberg
Im Verlauf des Ersten Weltkrieges führten Schleichhandel und Preistreiberei zunehmend zu einer Atmosphäre des allgemeinen Misstrauens und zu einer weit verbreiteten Verbitterung der Bevölkerung und zur Suche nach "den Schuldigen". Am 12. Dezember 1917 wurde über einen besonders aufsehenerregenden Fall berichtet: Der Seidenhändler Artur Kary, sein Geschäftsteilhaber Theodor Werfel und der Damenmodewarenhändler Wilhelm Balassa mussten sich vor dem Landesgericht Wien dafür verantworten, Waren unterschlagen und später mit einem teilweise bis zu zehnfachen Aufschlag verkauft zu haben.
Die Versorgungskrise, die im Winter 1916/17 ihren Höhepunkt erreichte und in erster Linie auf die nicht vorhandene Vorbereitung der Monarchie auf den Kriegsfall und auf innerstaatliche Ineffizienz zurückzuführen war, führte auch zu einem stetigen Anwachsen des Antisemitismus. Unter anderem wurde behauptet, jüdische Männer im wehrfähigen Alter würden sich vor dem Wehrdienst drücken (die deutsche Armee führte sogar eine diesbezügliche Erhebung durch, deren Ergebnisse aber verheimlicht wurden, da sich die Situation offenbar ganz anders darstellte), Juden würden die Kriegswirtschaft als Schleichhändler ausnützen und sich auf Kosten der nichtjüdischen Bevölkerung bereichern. Mit jedem Tag, mit dem der Krieg andauerte, wuchs auch der Antisemitismus.
Links:
Der Seidenhändler Kary im Landesgericht (Illustrierte Kronen Zeitung vom 12. Dezember 1917)
Weiterlesen: Die andere Abstammung