Vor siebzig Jahren
Erinnerung an den 13. März 1848
Ihr braven Barrikadenschwärmer,
Ihr Schatten eines Ideals!
Die Welt ist heute leer und ärmer
Und seufzt im Hauch des Feuerstrahls,
Der den geschmähten Himmel rötet
Und unbarmherzig sengt und tötet.
Die Freiheit liegt in einem Winkel
Wie alter, dicht verstaubter Tand.
Macht herrscht und blut'ger Eigendünkel
Und, was die Geister bindet, schwand
Im gasdurchstunk'nen Grabenschlamme
Und vor der Minen Todesflamme.
So stehen wir an Euren Grüften
Und schämen uns ins tiefste Herz.
Was blieb von jenen Frühlingslüften,
Vom blütenreichen Freiheitsmärz?
Das Menschenrecht ist eitle Lehre,
Erledigt durch Maschinengewehre.
Das Erbe wurde schlecht behütet,
Bald war der Frühlingstraum vorbei.
Wo Rasse gegen Rasse wütet,
Ringt sich die Menschheit nicht mehr frei
Und sinkt durch sinnberaubte Schlachtung
In Herzensarmut und Umnachtung.
(Richard Guttmann, 13. März 1918)
Am 13. März 1848 kam es zum Ausbruch der Revolution in Wien, die zum Sturz des Staatskanzlers Metternich, zu Pressefreiheit, zur Proklamation einer Verfassung und zum ersten modernen Parlament führte (in den Räumen der heutigen Wiener Reitschule in der Hofburg).
Die Märzrevolution von 1848 war überkonfessionell und republikanisch geprägt. Auch in diesem Sinne ist Richard Guttmanns Beitrag, der im Der Morgen des 13. März 1918 erschien, zu lesen. Der 1884 geborene Guttmann war jüdischer Herkunft und musste wohl unter dem Verrat leiden, den die ursprünglich liberalen und toleranten studentischen Träger der Revolution von 1848 wenige Jahrzehnte später an ihren Idealen verübten.
Richard Guttmann war Herausgeber der "Österreichischen Reisezeitung" und schrieb für verschiedene Zeitungen Feuilletons und Gedichte ("Der Morgen", "Neue Freie Presse", "Neues Wiener Tagblatt", "Die Muskete").
Guttmann, der als Einzelgänger galt, starb 1923. Der Morgen widmete ihm am 12. Februar 1923 einen traurigen Nachruf:
"Vorige Woche haben wir ihn begraben müssen, den stillen, treuen Mitarbeiter, der mit so viel Fleiß und anmutiger Galligkeit die großen Ereignisse der hohen Politik und die kleinen Dummheiten, Widerwärtigkeiten und Schäbigkeiten des täglichen Lebens [in] seine stilvollen Versformen goß und dem Leser im Leitgedicht des 'Blauen Montag' wie im Makamen unseres Glossenteils gleichsam süffigen Geist kredenzte. Von dieser Seite, von der des satirischen Plauderers in glatten Rhythmen und reinen Reimen, von der des poetischen Spötters und künstlerischen, empfindsamen Nörglers, der auch im Schimpfen und Fluchen Sitte und Kultur wahrte, von der des überlegenen Verskünstlers, für den es keine Form- und Formungsschwierigkeiten gab, haben ihn die Leser des 'Morgen' am besten gekannt und am meisten geschätzt.[...] Daß er trotzdem ein armer Teufel geblieben ist und bis zu seiner Sterbestunde die Sorge nicht von seinem Arbeitstisch wich, gehörte in das große Arbeitskapitel von der Not des geistigen Arbeiters, dessen Ware eine geistige, aufgeweckte Kulturnation auch nicht entbehren will und kann, wenn ihr die Mittel fehlen, sie auch nur halbwegs anständig zu bezahlen. [...]
Heute an seiner Bahre, versammelt sich die große Gemeinschaft derer, die ihn geschätzt und lieb gehabt haben. Aber sie können es ihm nicht mehr beweisen, sie dürfen es ihm nur ins Grab nachrufen und ihm sagen, daß sie an ihrem Schicksal gelernt haben, Einsamen ins Herz zu blicken und sie festzuhalten, ehe sie sich ihnen auf immer entwinden..."
Links:
Vor siebzig Jahren (Der Morgen vom 13. März 1918)
Nachruf auf Richard Guttmann (Der Morgen vom 12. Februar 1923)
Aus Anlass der Geburt des Erzherzogs Carl Ludwig, der am 10. März 1918 in Baden bei Wien das Licht der Welt erblickte und in der ganzen Monarchie mit 101 Kanonenschüssen begrüßt wurde (siehe die Geschichte vom 9. März), berichtete das Neuigkeits-Welt-Blatt über die in der Öffentlichkeit wenig bekannte Kaiservilla in der niederösterreichischen Kurstadt Baden:
"Die Kriegszeit hat die reizende Kurstadt Baden bei Wien zum Wohnsitz der kaiserlichen Familie gemacht, deren jüngster Sproß somit ein Badener Kind geworden ist. Und zwar beherbergt das beistehend abgebildete Haus Nr. 69 auf dem Kaiser Karl-Platz in Baden den Kaiser und seine Famile in ziemlich engen Verhältnissen. Das Haus hat historische Bedeutung aus früherer Zeit; Marschall Soult, Herzog von Dalmatien, hatte 1805 und 1806 dort sein Stabsquartier. Im Jahr 1792 ist das jetzige 'Kaiserhaus' im Auftrag des Barons Goutard erbaut worden, im Jahr 1805 kam es in den Besitz des schwedischen Generalkonsuls Freiherrn v. Arnstein, im Jahr 1813 erwarb es Kaiser Franz I, der Großvater des verblichenen Kaisers, und wohnte dort in den Sommermonaten bis 1834. Damals hieß das Haus auch das 'schöne Haus'."
Welthistorische Bedeutung erlangte die Villa am heutigen Badener Hauptplatz Nummer 17 im 1. Weltkrieg, als es in den letzten beiden Kriegsjahren regelmäßig von der kaiserlichen Familie verwendet wurde, da das Armeeoberkommando der k.u.k. Armee damals in das Badener Schloss Weilburg verlegt wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg fiel das Kaiserhaus in einen Dornröschenschlaf.
Nachdem das Gebäude von der Stadt Baden erworben wurde, wird es seit Abschluss der Revitalisierungsarbeiten 2013 als Ausstellungsort verwendet. Im Gedenk- und Erinnerungsjahr findet deshalb an diesem historischen Ort zwischen 21. April und 4. November 2018 die Ausstellung "Baden. Zentrum der Macht 1917 – 1918" statt (Öffnungszeiten: Dienstag - Sonntag & Feiertage 10 - 18 Uhr).
Link:
Die kaiserliche Residenz in Baden (Neuigkeits-Welt-Blatt vom 14. März 1918)
Heute vor 100 Jahren: Eine kaiserliche Geburt (9. März 1918)
Das Grazer Tagblatt berichtete am 15. März 1918 über eine Unterschriftenaktion für die Schaffung eines südslawischen Staates, die zwar von der Kärntner Landesregierung als "hochverräterisch" betrachtet, aber nach Protesten von der k.u.k. Regierung am 28. Februar zugelassen wurde. Der oben abgebildete Leitartikel, der in der auf Slowenisch erscheinenden Klagenfurter Zeitung Mir erschien, bezieht sich auf diesen Konflikt.
Das Grazer Tagblatt: "In Kärnten wurde gegen mehrere Sammler von Unterschriften für den südslawischen Staat die strafgerichtliche Verfolgung wegen Verbrechens des Hochverrates und wegen des Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe eingeleitet. Nach Mitteilung des Klagenfurter 'Mir' hat sich der Obmann des südslawischen Klubs, Dr. Korosec, deshalb beim Ministerpräsidenten und beim Minister des Innern beschwert, worauf ihm der Ministerpräsident am 28. Februar mitteilte, daß er mittels drahtlicher Weisung den Behörden in Kärnten jede Verfolgung der Unterschriftensammler untersagt habe. 'Die Kärntner Landesregierung,' schreibt 'Mir', 'von der die Verfolgungsaktion ausgegangen ist, kann sich jetzt bei der Nase packen.'"
Tatsächlich strebte der damalige Innenminister Ernst Seidler von Feuchtenegg eine Verfassungsreform an, die unter Beibehaltung der Kronländer zu national einheitlichen und politisch autonomen Kreisen innerhalb der Monarchie führen sollte. Er war deshalb der Ansicht, dass sich die südslawischen Gebiete der Monarchie, insbesondere Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Dalmatien vereinigen sollten, schloss aber – wie man heute weiß – die slowenisch dominierten Teile Kärntens, der Steiermark sowie von Krain und Görz-Gradiska von einem südslawischen Zusammenschluss aus. Letzteres wurde von ihm 1918 allerdings verheimlicht, um Unruhen innerhalb der slowenischen Bevölkerungsgruppe zu vermeiden.
Link:
Drüben und hüben (Grazer Tagblatt vom 15. März 1918)
"Da Eingaben an die Grazer Trambahn in den Papierkorb zu wandern scheinen, bleibt nichts übrig, als den Weg der Öffentlichkeit zu betreten" stellte Ingenieur Viktor Kumpf aus Graz fest und übermittelte dem Grazer Tagblatt eine lange Liste von Problemen und Lösungsmöglichkeiten für einen optimierten Straßenbahnverkehr in der steirischen Landeshauptstadt, der am 16. März 1918 in voller Länge veröffentlicht wurde:
"In der gestrigen Gemeinderatssitzung war endlich einmal von unserer Trambahn die Rede wegen der Erhöhung der Monatskarten und wegen des Davonfahrens an den Haltestellen." In weiterer Folge listete Viktor Kumpf die aus seiner Sicht bestehenden Missstände auf: Die Linie 6 wäre überfüllt und hätte zu große Intervalle, der "Dreierzug" wäre ebenfalls überfüllt und die Linie 1 hätte eine Abfahrtszeit bei der Reiterkaserne (Leonhard Kaserne), die es Umsteigepassagieren der – sowieso immer überfüllten Linie 5 – verunmögliche den Anschluss in Richtung Hilmteich zu erreichen. Außerdem "fahren die Einserzüge regelmäßig vom Hilmteich ab, noch bevor es möglich ist, bei der Haltestelle Hilmteich der Mariatroster-Bahn aus dem Mariatroster-Zug umzusteigen. (Nichteingeweihte meinen, es handle sich um ein Konkurrenzunternehmen.) Ja selbst dann fuhr und fährt auch heute noch der Einserzug weg, wenn der Mariatroster-Zug schon steht."
Ob die Klage von Ingenieur Kumpf auf offene Ohren stieß, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Jedenfalls wurde nach dem Ersten Weltkrieg wieder in das Grazer Nahverkehrsnetz investiert, es entstanden neue Linien und 1927 wurden öffentliche Busse eingeführt, die bis an die in Graz bis 1938 bestehenden Mautstellen führten (bis März 1938 musste jedermann, auch Ausflügler, die Waren aus dem Umland nach Graz "importieren" wollten, an der Stadtgrenze Mautgeld bezahlen, um in die Stadt zu gelangen).
Links:
Unser Straßenbahnverkehr (Grazer Tagblatt vom 16. März 1918)
Weiterlesen: Mautstellen schotteten Graz ab – bis 1938
Aufgrund des zunehmenden Soldatenmangels in der Österreich-Ungarischen Armee wurden ab März 1917 auch weibliche Hilfskräfte beschäftigt, die vor allem als Köchinnen, Wäscherinnen, als Personal im Hausdienst oder als Kanzleikräfte zum Einsatz kamen. Zum Hilfsdienst wurden Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren zugelassen. Die Bewerberinnen mussten unbescholten sein, einen einwandfreien Leumund haben, politische zuverlässig sein und die "moralische" und physische Eignung für den Heeresdienst nachweisen. Die dafür im Kriegsministerium zuständigen "Frauenreferate" wurden allerdings weiterhin von Männern geleitet.
Die Voraussetzungen für den Einsatz von Frauen im Heer wurden ab 1917 geschaffen und für die damalige Publizistik reich bebildert in Österreichs Illustrierter Zeitung am 17. März 1918 beschrieben: "Die Errichtung von Vermittlungs-Aemtern, von Schulen zu Ausbildungszwecken, von Heimen und Wohnlichkeiten für militärische weibliche Hilfskräfte wurde besprochen. Um auch eine richtige Vorstellung von allen diesen Einrichtungen zu erwecken, sei an Hand mehrerer Bilder gezeigt, auf wie hoher Stufe hier diese Fürsorgetätigkeit bereits angelangt ist."
Die Unterbringung und Verpflegung weiblicher Hilfskräfte erfolgte in 2 Kategorien: In der bessergestellten Kategorie A befanden sich Assistentinnen, Telefonistinnen und Kanzleihilfskräfte, in Kategorie B Köchinnen, Schneiderinnen, Wäscherinnen und Hauspersonal. Den Frauen der Kategorie A kam in "Frauenheimen" sowohl eine bessere Verpflegung als auch eine komfortablere Unterkunft zu als jenen der Kategorie B. Doch egal wie weit Frauen in die männliche Welt des Militärs vordrangen, so blieben sie doch Männern weiterhin untergeordnet. Weiblichen Hilfskräften kam selten Dank zu, im Gegenteil wurden sie meistens sexualisiert und ihnen eine lockere Sexualmoral unterstellt.
Links:
Frauenfürsorge im Kriege (Österreichs Illustrierte Zeitung vom 17. März 1918)
Weiterlesen: "Weibliche Hilfskräfte" in der österreichisch-ungarischen Armee im Ersten Weltkrieg (PDF)
Das Neue Wiener Journal berichtete am 18. März 1918 über die "Erziehung zum Frieden" der engagierten Pädagogin Helene Rauchberg, die harsche Kritik am traditionellen Schulunterricht übte, und erklärte, dass Frieden nur bewahrt werden könne, wenn Kinder und Jugendliche zu friedfertigen Personen erzogen würde.
"Als Feldzugsplan zur Eroberung der Kinderseelen für den unumstößlichen Friedensbegriff möchte man alle diese Vorschläge bezeichnen, die dahin gehen, durch die Erziehung in Schule und Haus den Friedensgedanken so fest in die Brust des Kindes zu pflanzen, daß der erwachsene Mensch nach dieser Richtung hin niemals vor einem Zweifel stehen kann."
Zur Friedenserziehung sollte Jugendlichen im Geschichtsunterricht Ehrfurcht vor dem Leben beigebracht und Kriege nicht mehr verherrlicht werden, damit die Jugendlichen nicht mehr so leicht wie im Weltkrieg in leichtfertigen Heldenmut verfielen. Gewaltverherrlichende und rassistische Texte sollten aus dem Unterricht verschwinden. Die Erziehung zu selbstständigen Denken war Rauchberg besonders wichtig, damit Jugendliche nicht mehr von charismatischen Rednern, Agitatoren und der Revolverpresse manipuliert und zum Krieg verführt werden könnten.
Schließlich sollte die die Würdigung aller Nationen und Konfessionen zu einer friedfertigen Gesellschaft führen: "Kein Volk soll Anspruch darauf erheben alleiniger Kulturträger sein zu wollen und eifersüchtig darüber wachen, daß kein anderer Volksstamm es ihm gleichtut. Das Streben aller Völker sei es, die Kultur zu pflegen und sich im gegenseitigen Austausch ihre geistigen Errungenschaften mitzuteilen."
Nach dem Weltkrieg engagierte sich Helene Rauchberg für eine moderne Kindererziehung und war Unterzeichnerin der aufsehenerregenden "Kundgebung des geistigen Wien" vom 24. April 1927. Am 3. Dezember 1941 wurde sie 66-jährig als Jüdin vom nationalsozialistischen Regime deportiert und im KZ Riga-Jungfernhof ermordet.
Links:
Die Erziehung zum Frieden (Neues Wiener Journal vom 18. März 1918)
Eine Kundgebung des geistigen Wien (Arbeiterzeitung vom 24. April 1927)
Anlässlich des italienischen Fliegerangriffs auf die Stadt Innsbruck sowie des "nichtentsprechenden Verhaltens" der Bevölkerung während des Angriffs (siehe die Geschichte vom 25. Februar 1918) veröffentlichte der in Graz erscheinende Arbeiterwille am 19. März 1918 eine Kundmachung der steirischen Statthalterei über Verhaltensmaßregeln bei Fliegerangriffen. Die steirische und insbesondere die Grazer Bevölkerung wurde darin aufgerufen sich an den Beobachtungs- und Alarmdiensten zu beteiligen und feindliche Flieger den Sicherheitsbehörden oder dem Post- und Telegraphenamt rasch zu melden:
"Das Nahen feindlicher Flieger wird angezeigt durch Abgabe von je zehn aufeinanderfolgenden Kanonenschüssen nach vier verschiedenen Richtungen auf dem Schloßberg, durch Inbetriebsetzen von Fabriksdampfpfeifen und durch das Hornsignal (Retraite), das in allen Kasernen gegeben wird. Falls die Bevölkerung alarmiert worden ist, wird auch das Verschwinden der feindlichen Flieger angezeigt werden, und zwar durch Glockengeläute und das Hornsignal (Tagwache), das in allen Kasernen gegeben wird. Sobald die Alarmzeichen vernommen werden, ist während des Fliegeralarmes vor allem Ruhe und Besonnenheit zu bewahren. Das Verweilen im Freien, auch auf Dächern und Balkonen sowie der Aufenthalt an Fenstern ist gefährlich. Es empfiehlt sich, bei Tag Rolläden, Fensterläden, Jalousien und dergleichen herabzulassen. Wer sich, im Freien befindet, suche möglichst Deckung in Hauseingängen. Wer sich auf freiem Felde befindet und eine Deckung nicht zu erreichen vermag, lege sich auf den Boden. Es ist ratsam, sich im Keller oder in die unteren Stockwerke oder in sonst gut gesicherte Räume zu begeben, doch ist ein Zusammendrängen von Menschen zu vermeiden. Kleine Räume sind besser als große."
Nach der Entwarnung sollten Geschoßteile und nichtexplodierte Bomben liegengelassen und die Fundorte umgehend dem nächsten Sicherheitsorgan gemeldet werden. Auffällige Gerüche, die von Bomben herrührten, sollten ebenfalls den Sicherheitsorganen gemeldet werden und Gebäude in denen sich ein solcher Geruch wahrnehmen ließ, durften nicht betreten werden. Die Nichtbeachtung der behördlichen Anordnungen wurde mit Geldbußen bis zu 400,- Kronen (entspricht etwa 196,- Euro) oder mit einer Arreststrafe geahndet.
Der Artikel schließt mit den Worten: "Es empfiehlt sich, diese Notiz auszuschneiden und aufzubewahren."
Link:
Verhaltungsmaßregeln bei Fliegerangriffen (Der Arbeiterwille vom 19. März 1918)
Heute vor hundert Jahren ereignete sich in der Österreichisch-Ungarischen Nationalbank ein großer Gelddiebstahl. Gegen 10 Uhr vormittags lieferte ein (Pferde-)Wagen des "Postpaketbestellamtes" der Österreichisch-Ungarischen Bank 14 Geldsäcke. Der Geldtransport wurde ordnungsgemäß verschlossen und von zwei Postillionen, einem Postamtsdiener, einem Soldaten und zwei Beamten begleitet. Erst im Hof des Bankgebäudes wurde das Fahrzeug geöffnet und die Säcke entnommen, wobei die Bediensteten fest stellten, dass ein Geldsack mit 454.000,- Kronen (222.764,- Euro) fehlte, und schlugen Alarm.
Sämtliche Tore des Bankgebäudes wurden innerhalb von wenigen Minuten geschlossen und das Polizeikommissariat der Inneren Stadt telefonisch verständigt. Der Dieb hatte nun nicht mehr die Möglichkeit das Bankgebäude zu verlassen. Vielmehr wurde er dabei beobachtet, wie er das Diebesgut in den Keller des Gebäudes schaffte.
Der Hausdiener Franz Wagner, der sich zum Zeitpunkt des Diebstahls in der Bank befand, berichtete den Ermittlern, er habe beobachtet, wie ein Aushilfsdiener der Österreichisch-Ungarischen Bank einen Gegenstand versteckt unter seiner Kleidung in den Keller brachte. Auf Wagners Frage erklärte er, dass es sich dabei um zwei Kilo Fleisch handeln würde. Bei der anschließenden Durchsuchung des Kellers fanden die Polizeibeamten tatsächlich einen Rucksack, der ein Paket mit 131.000,- Kronen (64.278,- Euro) beinhaltete, das aus dem fehlenden Geldsack stammen musste.
Nach der Sicherstellung des Geldes wurde der Tatverdächtige David Lesniak in Verwahrungshaft genommen und gestand daraufhin seine Tat. Der fehlende Rest konnte auf Grund des Geständnisses in mehreren Verstecken sichergestellt werden.
Während der Ermittlungen stellte sich heraus, dass David Lesniak Fleischschmuggel betrieben hatte und ihm zuvor Schweinsbraten im Wert von 1.000,- Kronen (491,- Euro) durch Beschlagnahme abhanden gekommen war. Durch den Gelegenheitsdiebstahl sah er eine Chance, diesen Verlust auszugleichen. Lesniaks Mutter bezeichnete ihren Sohn als "schwachsinnig" und auch seine Kollegen beschrieben ihn als "ein bisschen blöd", weshalb das Gerichtsurteil vergleichsweise mild ausfiel: Am 22. Mai 1918 wurde Lesniak, der zuvor von 2 Psychiatern begutachtet worden war, zur Mindeststrafe von einem Jahr "schweren Kerkers" verurteilt.
Die Österreichisch-Ungarische Nationalbank kam allerdings auch nicht ungeschoren davon: "Die Zeugen sagen über die Vorfälle an dem kritischen Tage aus. Hierbei konstatiert der Vorsitzende, daß der Diebstahl nur durch Außerachtlassung der Vorschriften möglich war und spricht von 'altem Schlendrian'."
Links:
Großer Gelddiebstahl bei der österreichisch-ungarischen Bank (Neuigkeits-Welt-Blatt vom 20. März 1918)
Der Diebstahl an der Oesterr.-ung. Bank (Neues 8 Uhr-Blatt vom 22. Mai 1918)
"Die Regierung hat heute im Abgeordnetenhaus die Vorlage über die allgemeine Arbeitspflicht im Kriege eingebracht, womit sie ihr Versprechen der Entmilitarisierung der Betriebe zu erfüllen vermeint."
Die Arbeiter Zeitung vom 21. März 1918 beschäftigte sich kritisch mit dem Gesetzesentwurf für die allgemeine Arbeitspflicht im Krieg für Männer vom 17. bis zum 60. Lebensjahr und Frauen vom 19. bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres:
"Der Krieg hat an die Stelle des freien Arbeitsvertrages ein militärisch geordnetes Zwangsverhältnis gesetzt. Zuerst trat mit Kriegsbeginn das Kriegsleistungsgesetz vom Jahre 1912 in Wirksamkeit. Dann wurde durch drei §14-Verordnungen das dadurch geschaffene Zwangsverhältnis noch erweitert und ausgebaut. Und als ob all das noch nicht genügte, hat man schließlich in vielen Betrieben die Arbeiter als Landstürmer einberufen und sie zur Besorgung der Arbeit kommandiert, so daß sie jetzt, aller bürgerlichen Rechte beraubt, unter dem harten Zwange des Kriegsrechtes ihre Arbeit versehen müssen. So sind die Arbeitsverhältnisse schließlich unerträglich geworden."
Empfanden zwangsverpflichtete Arbeiterinnen und Arbeiter die Arbeitsverhältnisse in ihren Betrieben als nicht tragbar, konnten sie Beschwerde einlegen. Einem Betriebswechsel musste allerdings die "Beschwerdekommission" veranlassen, die aus zwei Beamten, einem Richter, einem Offizier und je vier Vertretern der Arbeiterschaft sowie des jeweiligen Unternehmens bestand.
"Die Arbeiterschaft interessieren vor allem diejenigen Bestimmungen des Gesetzentwurfes, welche sich auf die Betriebe der Kriegsindustrie beziehen; die Vorlage nennt sie 'Pflichtbetriebe'. Wir wollen uns diese Bestimmungen etwas näher ansehen. In den 'Pflichtbetrieben' ist der Arbeiter auch jetzt an den Betrieb gefesselt. Er kann nur mit Zustimmung der Beschwerdekommission den Betrieb verlassen und die Beschwerdekommission muß ihm diese Zustimmung nur dann geben, wenn einer der Gründe vorliegt, die den Arbeiter nach der Gewerbeordnung zum Austritt ohne Kündigung berechtigen."
Verweigerte man die Arbeitspflicht, konnte der Vorsitzende der Beschwerdekommission (später "Betriebsarbeitskommission") Arreststrafen verhängen: "Wer nämlich die Leistung der ihm aufgetragenen Arbeit verweigert, seine Arbeitspflicht beharrlich vernachlässigt oder ohne Ursache von der Arbeit fernbleibt, soll mit Arrest bis zu sechs Monaten bestraft werden können, und diese Strafe soll der Vorsitzende der Betriebsarbeitskommission verhängen."
Link:
Das Hilfsdienstgesetz (Arbeiter Zeitung vom 21. März 1918)
Im Ersten Weltkrieg konnte man nicht nur bei Lebensmitteln und wichtigen Ressourcen einen enormen Preisanstieg beobachten, sondern auch bei Theaterkarten wurden immer teurer, wie die Neue Freie Presse am 22. März 1918 berichtete: "Es ist jedoch eine unleugbare Tatsache, daß sich auf dem Theaterkartenmarkt Zustände herausgebildet haben, die in ihrer Art ebenso nach Abhilfe schreien wie die Situation der verschiedenen Lebensmittelmärkte, der man seit Jahr und Tag mit mehr oder weniger glücklichen Experimenten beizukommen bestrebt ist."
Trotz des Krieges und der hohen Eintrittspreise strömte das Wiener Publikum in die geliebten Theatervorstellungen, und in den Kartenbüros herrschte ein reges Treiben. Der anhaltende Andrang verleitete die Theaterschaffenden offenbar zur Eintrittskarten-Preistreiberei: "Zu Beginn des Krieges wollten die Theaterdirektoren am liebsten zusperren, überlegten zitternd, ob sie sich wirklich getrauen dürften, zwei oder dreimal in der Woche zu spielen. Dann ging der erste panikartige Schrecken allmählich vorüber und man sah zu seinem Erstaunen, daß die Leute doch das Bedürfnis hätten, auf andere als auf Kriegsgedanken zu kommen. So gab man sich denn jede, erdenkliche Mühe, versprach das Blaue vom Theaterhimmel herab, in erster Linie natürlich herabgesetzte Preise, als ob jeden Tag klassischer Montag wäre. Der Krieg dauerte fort und die Direktoren kamen immer mehr zu der Erkenntnis, daß dies für sie keine Einbuße, sondern eher eine Konjunktur bedeute. Die Früchte dieser Erkenntnis sind leider alles eher denn bekömmlich. Die Folgerungen, welche die Mehrzahl unserer Bühnengewaltigen aus der Theaterlust, dem Theaterbedürfnis des Publikums in der Kriegszeit ableiten und die in der Zusammenstellung der Spielplane der Wiener Bühnen so drastischen Ausdruck finden, sollen heute außer Diskussion bleiben. Es hatte aber nicht bei der Verschlechterung der Theaterware sein Bewenden, sondern gleichzeitig schnellten jetzt die Billettpreise unheimlich in die Höhe."
Tatsächlich flüchteten viele der Daheimgebliebenen in Kinos und Theater, um dem Alltagskummer zu entfliehen, den der Krieg mit sich brachte (siehe dazu auch die Geschichte vom 4. September 1917). Filme (alleine während des Ersten Weltkriegs wurden 1.500 Filme in der Donaumonarchie produziert) und Theateraufführungen (in jedem Kriegsjahr gab es alleine in Wien etwa 30 Operettenpremieren!) ermöglichten diese temporäre Flucht in die Scheinwelt. Den Erfolg des Theaters konnte also auch die Preistreiberei nicht behindern und "die Leute stellen sich bei den Theaterkartenbureaux an, als wären dort Erdäpfel erhältlich."
Links:
Preistreiberei mit Theaterkarten (Neue Freie Presse vom 22. März 1918)
Weiterlesen: Theater in Wien im Ersten Weltkrieg