Die Website zum Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 wird nicht mehr aktualisiert, steht aber bis auf weiteres als Nachlese zur Verfügung.
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Ihre Position: Oesterreich100.at - Von Tag zu Tag 1917 bis 1919
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Von Tag zu Tag 1917 bis 1919

Filmplakat
Film-Annonce; © Kinematographische Rundschau vom 3. November 1917

Am 3. November 1917 wurde die Aufführung der Erstverfilmung des Romans "Die Jungen von der Paulstraße" angekündigt. Diese "Filmsensation, welche bisher noch von keinem Meisterwerke der Filmkunst überboten wurde" beruht auf einem bekannten ungarischen Jugendroman, der 1906 von Ferenc Molnár verfasst wurde.

"Die Jungen von der Paulstraße", bis heute Pflichtlektüre in ungarischen Schulen, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach verfilmt. 2004 entstand eine österreichische Fernseh-Version unter der Regie von Maurizio Zaccaro; in den Hauptrollen traten unter anderem Mario Adorf, Virna Lisi und Harald Krassnitzer auf.

Heute ist den "Jungen von der Paulstraße" in der Budapester Práter Utca 11 ein Denkmal gewidmet.

Link:
Glühendste Lyrik und die Seele des Kindes (Kinematographische Rundschau vom 3. November 1917)

Menschen am Weg zum Wiener Zentralfriedhof
Wien, Simmeringer Hauptstraße zu Allerheiligen: Menschen am Weg zum Zentralfriedhof; © Wiener Bilder vom 4. November 1903

Das Allerheiligen- und Allerseelenfest dauerte 1917 bis zu seinem Höhepunkt am arbeitsfreien Sonntag, 4. November, an dem die meisten Besucherinnen und Besucher erwartet wurden. Um eine sichere An- und Abreise zum und vom 1884 eröffneten Wiener Zentralfriedhof, einem der größten Friedhöfe Europas, zu gewährleisten, wurde vom Wiener Magistrat eine spezielle Verkehrsregelung verfügt.

Am 4. November 1917 erinnerte der k.k. Österreichische Automobil-Club unter seinem Präsidenten Alexander Markgraf Pallavicini in einer "offiziellen Mitteilung" an diese vom Magistrat verordneten An- und Abfahrtsrouten sowie die Parkordnung: "Fiaker, Einspänner, Privatwagen und Kraftfahrzeuge haben von Donnerstag, 25. Oktober, bis Sonntag, 4. November, durch die besondere Zufahrtsstraße geradewegs zu ihrem besonderen Wagenaufstellungsplatze vor dem Neugebäude zu fahren; die Fahrgäste dieser Wagen haben zum Friedhofe und zurück den Tunnel III zu benützen. Für diese Zeit werden die sonst vor dem Zentralfriedhofe bewilligten Freiplätze für das Platzfuhrwerk aufgehoben." 

Der "Tunnel III" existiert heute nicht mehr.

Link:
Allerheiligen- und Allerseelen-Verkehr zum und vom Zentralfriedhofe (Offizielle Mitteilungen des k.k. Oesterreichischen Automobil-Club vom 4. November 1917) 

Junge Frauen mit einem Angehörigen eines Jäger-Regimentes
Im Wiener Prater um 1914: Junge Frauen mit einem Angehörigen eines Jäger-Regiments; © Gemeinfrei

Da im Verlauf des Ersten Weltkrieges immer neue Soldaten in die Schlacht geworfen wurden, kam es zu einer zahlenmäßigen Dominanz von Frauen in der Bevölkerung des Hinterlandes, die Geburtenraten sanken und die die damals geltende Sexualmoral wurde immer öfter in Frage gestellt (während unter anderem die sexuelle Mobilität der Soldaten akzeptiert war, wurde sie bei Frauen verurteilt).

Sittenpolizeiliche Maßnahmen richteten sich insbesondere gegen unverheiratete Frauen beziehungsweise gegen Frauen, die außereheliche Beziehungen eingingen. Eine der vielen Maßnahmen, mit der staatlicherseits versucht wurde, auf Frauen im Sinne der geltenden Sexualmoral einzuwirken, war die Erlaubnis für verlobte Frauen den Namen ihres im Krieg gefallenen Bräutigams anzunehmen und sich offiziell mit "Frau" (anstatt "Fräulein") zu betiteln. Allerdings führte das offenbar nicht zu dem gewünschten Ziel, wie aus einem Artikel des Allgemeinen Tiroler Anzeigers hervorgeht: "Mit Rücksicht auf die bisher gemachten Erfahrungen wurden nun, wie man uns mitteilt, die politischen Behörden beauftragt, bei solchen Ansuchen in Hinkunft auch auf den Nachweis des moralischen Verhaltens der betreffenden Braut zu bestehen. Die Absicht des Gefallenen, die in Frage kommende Gesuchswerberin zu ehelichen, ist durch Zeugen oder durch Korrespondenzen zu erweisen." (Hervorhebung im Original).

Links:
Namensänderungen der Kriegerbräute (Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 5. November 1917)
Weiterlesen: Sexualmoral und staatliche Intervention im Ersten Weltkrieg

Holzsammler im westlichen Wienerwald
Holzsammler im westlichen Wienerwald um 1918; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Aufgrund der kriegsbedingten Mangelwirtschaft war Tabak schwer verfügbar. Deshalb wurde sogenannter "Strecktabak" mit Laub angereichert. Gemäß Anweisung des für das österreichische Tabakmonopol zuständigen Finanzministeriums wurde verfügt, dass in erster Linie Rotbuchenlaub zur Streckung des Tabaks verwendet werden sollte. Das Rotbuchenlaub musste frisch sein und nur in Laubwäldern gesammelt werden, um eine Vermischung mit Tannen- oder Fichtennadeln zu vermeiden. In der Umgebung Wiens wurde deshalb im Wienerwald entlang der Westbahn gesammelt.

Der Wienerwald diente den Bewohnerinnen und Bewohnern Wiens und Niederösterreichs insbesondere im ersten Nachkriegswinter 1918/1919 auch als Brennholzreservoir. Der östliche Teil des im Wienerwald gelegenen Lainzer Tiergartens wurde nach dem Krieg fast zur Gänze abgeholzt – dort wurde ab 1920 die "Friedensstadt" von der Siedlungsgenossenschaft der Kriegsbeschädigten errichtet.

Link:
"Tabak"-Ernte im Wienerwald (Illustrierte Kronen Zeitung vom 6. November 1917)

Brief mit leerem Respektblatt
Schreiben der "k.k. Central-Commision für Kunst- und Hist. Denkmale" an den k.u.k. Hauptmann Adolf Stephanie mit leerem Respektblatt, 1898; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Am 7. November 1917 weinte das Linzer Volksblatt dem Dahinschwinden des "Respektblattes" keine Träne nach. Heute versteht man unter einem "Respektblatt" eine unbedruckte Seite am Anfang eines Buches. Im frühen 20. Jahrhundert war damit aber eine leere Seite gemeint, die einem Brief beigelegt wurde. Ursprünglich diente dieses leere Blatt als Umschlag, in den der eigentliche Brief eingefaltet wurde. Das "Respektblatt" wurde versiegelt und mit der Empfängeradresse versehen. Als Kuverts üblich wurden, wurde das "Respektblatt" aus Gründen der Höflichkeit beibehalten.

Langsam geriet das Wissen um Herkunft und Bedeutung des "Respektblattes" in Vergessenheit, bis es wegen der kriegsbedingten Papierknappheit endgültig verschwand: "Das Respektblatt ist als ein herkömmlicher Zopf der Papiernot zum Opfer gefallen. Nicht schade darum."

Link:
Das Respektblatt (Linzer Volksblatt vom 7. November 1917)

Sitzung im Atelier des Bildhauers
Generaloberst Svetozar Boroevic in einer Sitzung im Atelier des Bildhauers Ferenc (Franz) Sidlo unmittelbar vor der 12. Isonzo Schlacht; © Das interessante Blatt vom 8. November 1917

Anfang November 1917 berichteten die österreichischen Zeitungen überschwänglich über die seit dem 28. Oktober tobende 12. Isonzoschlacht, die als einer der größten militärischen Erfolge der Mittelmächte gilt. Gemeinsam mit deutschen Verbänden war die österreich-ungarische Armee tief in das italienische Hinterland eingedrungen und der Sieg über Italien schien zum Greifen nah. Generaloberst Boroevic führte die österreichische 1. und 2. Isonzo Armee ("Heeresgruppe Boroevic") und erhielt wegen seiner militärischen Erfolge den Beinamen "Der Löwe vom Isonzo". Im Frühjahr 1918 wurde er zum Feldmarschall befördert.

Nach dem Krieg bot der in Kroatien geborene Boroevic – der einzige südslawische Feldmarschall der k.u.k. Armee – seine Dienste vergeblich dem neu gegründeten Jugoslawien an. Er starb 1920 verarmt und verbittert in Klagenfurt.

1917 fertigte der 1882 in Budapest geborene Bildhauer Ferenc (Franz) Sidlo eine Porträtbüste Boroevics an. Sidlo erlernte sein Handwerk in Budapest, Wien, Rom und München, und schuf vor allem in Ungarn zahlreiche historisierende Denkmäler. Er verstarb 1954 in Budapest.

Link:
Die neueste Porträtbüste des Siegers vom Isonzo (Das interessante Blatt vom 8. November 1917)

Zwei zivilinternierte Österreicher in England
Die Niederösterreicher Josef Riedl und Franz Hable auf der Isle of Man; © Eggenburger Zeitung vom 9. November 1917

Alle vor Kriegsbeginn 1914 zivil in England lebenden deutschen und österreichischen Männer – Frauen und Kinder sollten verschont bleiben – wurden ab Mai 1915 in Lagern interniert. Der Großteil von Ihnen auf der isolierten Isle of Man. Das war der Grund dafür, dass der aus Deinzendorf stammende Josef Riedl im Lager Knockaloe auf der Isle of Man Franz Hable kennenlernte, dessen Heimatort Schrattenthal nur 2 Kilometer von Deinzendorf entfernt zwischen den niederösterreichischen Gemeinden Eggenburg und Retz liegt. Beide arbeiteten zu Kriegsbeginn in London als Kellner und wurden 1915 als Angehörige eines verfeindeten Landes von den britischen Behörden interniert.

Im Gegensatz zu Kriegsgefangenen wurden Zivilinternierte nicht zu Arbeit verpflichtet und durften sich kulturellen und sportlichen Dingen widmen (im Lager Knockaloe gab es 19.000 deutschsprachige Bücher und es wurden verschiedene Weiterbildungskurse angeboten), allerdings wurde aus den Lagern oft über Langeweile berichtet.

Auf der Isle of Man befand sich das größte Internierungslager in Großbritannien, in dem zeitweilig bis zu 30.000 Österreicher und Deutsche auf einmal festgehalten wurden. Zwischen dem Haupt- und dem Nebenlager verkehrte eine Eisenbahn und es gab ein eigenes Postamt, das Lager-Briefmarken ausgab (5 solcher Briefmarken wurden 2014 um bis zu 1.300 britische Pfund versteigert).

Link:
Interniert. (Eggenburger Zeitung vom 9. November 1917)

Die Schauspielerin und Sängerin Mimi Kött
Mimi Kött, Soubrette des Wiener Bürgertheaters; © Der Humorist vom 10. November 1917

Im Herbst 1917 wurde die Operette "Brüderlein und Schwesterlein" zum 100. Mal in Wien aufgeführt. Das Magazin Der Humorist führte den Erfolg der "bodenständigen Wiener Operette" vor allem auf die guten Darstellerinnen und Darsteller zurück. Über die aus Budapest stammende Soubrette, die "fesche, begabte und beliebte" Mimi Kött, urteilte das Blatt, dass sie "auf ihren schönen Schultern leicht und graziös die Last der Doppelrolle als Fritz und dessen Schwesterlein" trage.

Nach Engagements in Budapest und Olmütz, wurde Mimi Kött an das Wiener Johann Strauß Theater in der Favoritenstraße 8 vermittelt (mittlerweile durch einen Neubau ersetzt). Sie galt als eine begabtesten Operettendarstellerinnen ihrer Zeit und feierte auch als Revue-Star in den 1920er-Jahren große Erfolge.

Die wohlhabende Künstlerin, die im mondänen Rainer-Hof in der Wiedner Hauptstraße 23 lebte, und eine Villa in Bad Ischl besaß, bereiste ganz Europa und war in der Wiener Gesellschaft sehr beliebt. Unter ihren zahlreichen Liebhabern und Ehemännern befand sich sogar ein albanischer Prinz. Allerdings litt Mimi Kött an einer Morphiumsucht, die sie zum Rückzug von der Bühne zwang. In der Folge litt sie an Depressionen und nahm sich am 10. Februar 1931 das Leben.

Link:
Mimi Kött (Der Humorist vom 10. November 1917)

Frauen arbeiten im Landes-Verteidigungskommando Tirol
Frauen arbeiten im Landes-Verteidigungskommando Tirol, Aufnahme vom 15. August 1917; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Während der Krieg immer länger dauerte und immer mehr Männer in die Armee einberufen wurden, nahmen Frauen vormals männlich dominierten Arbeitsplätze ein. Sie arbeiteten nicht nur in Büros, sondern unter anderem auch als Briefträgerinnen, Schaffnerinnen und Fabrikarbeiterinnen.

Zahlreiche Frauen nahmen diese Veränderungen zum Anlass, politische Rechte zu fordern, aber es waren auch zunehmend männliche Stimmen zu vernehmen, die den Ausschluss der Frauen vom politischen Leben als nicht mehr zeitgemäß beschrieben.

Die Journalistin Ida Barber, die für die "Illustrierte für die vornehme Welt" Sport und Salon schrieb, drückte in ihrem Text "Frauen von heute" vom 11. November 1917 ihre Verwunderung, aber auch Bewunderung, über die sich ändernde Rolle der Frauen aus, allerdings ohne politische Konsequenzen zu fordern.

"Modedamen", schrieb Ida Barber, wüssten nichts mehr von "Langweile, Migräne, Hysterie (…) sind von früh bis spät auf dem Posten, ohne Müdigkeit zu fühlen." Als Beispiel führte sie die "Modedame" Frau von S. an: "Da mußte ehedem alles bis aufs i-Tüpferl genau der letzten Mode entsprechen, alles 'tip top' sein; sonst hätte man es nicht gewagt, unter die 'Leute' zu gehen; und jetzt? 'Ist mir sehr schnuppe', sagte mir unlängst die als Modedame bekannte Frau v. S., als ich sie darauf aufmerksam machte, daß sie in einfachem Wollkleide, wie sie eben aus dem Vereinslokale kam, in dem Soldatenwäsche genäht wurde, nicht ins Theater gehen könne. 'Habe jetzt ganz was anderes zu tun, als mich zu putzen', sagte sie leichthin; 'die Zeiten, in denen wir Frauen Modepuppen waren, sind vorbei."

Links:
Frauen von heute (Sport und Salon vom 11. November 1917)
Weiterlesen: Frauen im Ersten Weltkrieg. Einsatz an der Heimatfront (PDF) 

Flüchtlingsfürsorge im Ersten Weltkrieg: Kleiderausgabe im Lager
Flüchtlingsfürsorge im Ersten Weltkrieg: Kleiderausgabe im Salzburger Lager Lamprechtshausen, um 1915; © Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Dass Ressentiments gegenüber Flüchtlingen nicht erst im 21. Jahrhundert entstanden sind, zeigt ein Leserbrief im Salzburger Volksblatt vom 12. November 1917: "Der Skandal im k.k. Studiengebäude" handelte von der angeblichen Bevorzugung von Flüchtlingen aus den italienischen Teilen der Monarchie, die im 2. Stock eines Salzburger Schulgebäudes untergebracht waren, der über elektrische Beleuchtung verfügte, während im Erdgeschoss "Schüler und Professoren an düsteren Tagen vollständig im Dunkeln sitzen" mussten.

An die Regierungsvertreter gewandt hieß es: "Uns verwundert nur, daß die Professoren unter diesen skandalösen Umständen noch weiter unterrichten wollen. Wir Eltern aber, die doch auch noch Schulgeld zahlen müssen, protestieren gegen die Indolenz der Regierung bezw. gewisser Herren, die sich für besondere Flüchtlingsfürsorge auf Kosten unserer Jugend einen Orden ins Knopfloch stecken wollen."

Beamte wie Private stießen hinsichtlich der Flüchtlingsversorgung während des Ersten Weltkrieges immer wieder auf heftigen Widerstand von Lokalbehörden. Appelle, das Los der Flüchtlinge zu erleichtern, verhallten oft ungehört.

Links:
Der Skandal im Salzburger Studiengebäude (Salzburger Volksblatt vom 12. November 1917)
Weiterlesen: Fremd im eigenen Land