"Das Eduard Richter-Denkmal auf dem Mönchsberg in Salzburg ist das Opfer eines bübischen Vandalismus geworden. Vom Kopf wurden Nase und Ohr sowie ein Stück der Hutkrempe, von beiden Händen die Finger und ein Teil des Pickels abgeschlagen. Die abgeschlagenen Teile wurden vor dem Denkmal gefunden" berichtete das Neuigkeits-Welt-Blatt am 11. Juni 1918.
Wer die Übeltäter waren und aus welchen Beweggründen das Denkmal des berühmten Geographen und Gletscherforschers vermutlich in der Nacht vom 6. auf den 7. Juni 1918 beschädigt wurde, ist nicht bekannt. Jedenfalls schlossen damalige Berichterstatter "nationale Motive" aus, da Richter zeitlebens politisch unauffällig geblieben war (wie etwa das Salzburger Volksblatt am 7. Juni 1918 feststellte).
Der 1847 aus dem niederösterreichischen Mannersdorf gebürtige Richter wuchs in Wiener Neustadt auf, studierte an der Universität Wien Germanistik, Geschichte und Geologie. 1870 legte er die Lehramtsprüfung ab und schlug die Laufbahn eines Gymnasiallehrers ein. Von 1883 bis 1885 war Richter erster Präsident des Salzburger Zweigs des deutschen und österreichischen Alpenvereins und veranlasste in dieser Funktion die Errichtung der bis heute aktiven meteorologischen Station auf dem Sonnblick.
1886 wurde Eduard Richter Professor für Geografie an der Universität Graz, wo er 1898 zum Rektor gewählt wurde. Bis 1900 wirkte er als Präsident der internationalen Gletscherkommission und 1902 wurde er in die Österreichische Akademie der Wissenschaften berufen. Richter befasste sich vorwiegend mit Gletscherforschung, berechnete die Größe von mehr als 1000 Gletschern in den Alpen und arbeitete an einem Gletscherlexikon. Er verstarb am 6. Februar 1905 in Graz, wo bis heute die Eduard-Richter-Gasse an ihn erinnert.
Die Restaurierung des Eduard Richter-Denkmals auf dem Salzburger Mönchsberg dauerte bis Ende Mai 1920, bis heute sind aber die Spuren des Vandalenaktes im Stein zu erkennen.
Links:
Das Richter-Denkmal in Salzburg zerstört (Neuigkeits-Welt-Blatt vom 11. Juni 1918)
Das Eduard Richter-Denkmal (die Salzburger Wacht vom 28. Mai 1920 über die Restaurierung)
In der Badener Zeitung vom 12. Juni 1918 erschien ein interessanter Artikel über einen Vortrag Erwin Hansliks, 1915 Gründer des Wiener "Instituts für Kulturforschung":
"In dem Salon der Frau Isabella von Kühnelt-Leddihn sprach kürzlich Professor Dr. Erwin Hanslik, Vorstand des Institutes für Kulturforschung in Wien, an der Hand von Kulturkarten der Erde über das neue Oesterreich und Mitteleuropa. Mitteleuropa muß auch von Oesterreich-Ungarn aus gewollt und aufgebaut werden. Oesterreich-Ungarn ist der Ostflügel von Mitteleuropa. Es gibt dieser Staatenvereinigung den Charakter eines natürlichen Völkerbundes. Die Nord- und Ostseeküste, die adriatische Küste, die Nordküste des Aegäischen Meeres, die Westküste des Schwarzen Meeres geben den Meerring, der dem Staaten- und Völkerblock der Mitte gemeinsam ist, ihn für immer verbindet und ihm die Wege in die Welt hinaus ermöglicht. Deutschland und Oesterreich-Ungarn wurden in ihrer Bedeutung für Mitteleuropa im einzelnen analysiert. Der Vortrag, dem eine lebhafte Wechselrede folgte, soll in Anbetracht seiner großen Aktualität öffentlich wiederholt werden."
Erwin Hanslik war ein österreichisch-polnischer Geograph, Publizist und Kulturhistoriker. Eines seiner zentralen Anliegen war es "Kulturgrenzen" in Europa nachzuweisen und aufzuzeigen, dass zwischen verschiedenen Regionen kulturelle Unterschiede bestanden, ein harmonisches Zusammenleben aber problemlos möglich wäre.
Trotz des sich abzeichnenden Zerfalls der Habsburgermonarchie träumte Hanslik von einem sich nach Norden und Süden erweiternden Habsburgerreichs. Dieses erweiterte "Österreich" würde unterschiedliche Kulturstufen aufweisen, einen "reifen" Kern (Österreich, Böhmen), einen "werdenden" (Ungarn, Bosnien) und einen "unverbundenen" (Bulgarien, Rumänien, Serbien) Teil umfassen. Hanslik war außerdem der Meinung, dass Österreich eine besondere Rolle in Europa einnehmen würde, da Österreich ein Garant für eine völkerverbindende staatliche Ordnung in Europa wäre, und "westliche" sowie "östliche" Kultur verbinden könne.
Hanslik stand seinen deutschen Kollegen, die die deutsche Kultur erhöhten und mit dieser Osteuropa "kultivieren" wollten, feindlich gegenüber. Mit Fortschreiten des Krieges verfestigte sich diese Ablehnung, da Hanslik in Zeiten zunehmender Nationalisierung seine Vorarbeiten für einen europäischen Staatenbund weiter vertiefte.
Link:
Das neue Oesterreich und Mitteleuropa (Badener Zeitung vom 12. Juni 1918)
Von einem brutalen Raubmord berichtete die Illustrierte Kronen-Zeitung am 13. Juni 1918:
"Das schauerliche Verbrechen, das der 37jährige Stefan Kajtar an seiner Frau Antonia verübte, hat überall Schauer und Abscheu hervorgerufen. Stefan Kajtar hat noch zu Lebzeiten seiner Frau seine Geliebte Minna Popelka zum Traualtar geführt, indem er bei der Kriegstrauung angab, daß er ledig sei. Vier Tage darauf hat er in der gemeinsamen Wohnung Vorgartenstraße 101 seine wirkliche Frau umgebracht. Nach seiner Schilderung, der freilich wenig Glauben beigemessen wird, hat er den Mord an seiner Frau mit deren Willen, ja sogar auf deren Bitten 'als letzten Dienst' verübt. Jedenfalls aber hat er den Schmuck der Ermordeten seiner Geliebten zum Geschenke gemacht."
Aufgrund der Position der Leiche – sitzend, mit einem Strick um den Hals, der an der Türklinke befestigt war – ging die Polizei zunächst von einem Selbstmord aus. Als man in der Tasche der verstorbenen Antonia Kajtar zwei Briefe fand, war aber schnell klar, dass es sich um einen Mord handelte. In dem ersten Brief wurden Anna Popelka und deren Tochter Minna als Erbinnen eingesetzt. Der zweite Brief Antonia Kajtars hatte allerdings nichts mit dem fingierten Freitod zu tun und war darüber hinaus in einer anderen Schrift verfasst.
Stefan Kajtar gestand während seiner Befragung eine schon länger dauernde Liebesbeziehung zu Minna Popelka. Als die Polizei weiter nachhakte, gestand er den Mord und das gefälschte Testament. Stefan Kajtar wurde wegen Raubmordes und Bigamie dem Militärgericht übergeben. Über das weitere Schicksal des Mörders ist nichts bekannt.
1918 wurden in Wien 26 Morde begangen; in früheren Jahren waren es dagegen nur 4 bis 5 Fälle. Die hohe Mordrate im Jahr 1918 wurde vor allem mit der Verrohung der Bevölkerung durch den lang anhaltenden Krieg erklärt, wie es Anfang 1919 in einem Artikel des Neuen Wiener Tagblatt zu lesen war, in dem jeder einzelne Mord des abgelaufenen Jahres rekapituliert wurde.
Links:
Das Verbrechen des Bigamisten (Illustrierte Kronen-Zeitung vom 13. Juni 1918)
Die Höchstleistung im Verbrechen (Neues Wiener Tagblatt vom 5. Jänner 1919)
Klagen über die Versorgungslage der Zivilbevölkerung waren neben der Kriegsberichterstattung das Hauptthema der österreichischen Zeitungen während des Weltkriegs. Auch das Neue Wiener Journal thematisierte am 14. Juni 1918 wieder einmal die Herausforderungen, denen sich vor allem Frauen zu stellen hatten:
"Die Begleiterscheinungen des Weltkrieges, die auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens förmliche Umwälzungen hervorgerufen haben, stellen auch die Hausfrauen täglich vor Aufgaben, an die sie in normalen Zeiten nie gedacht hätten. Die rationierte Lebensweise – Fleisch, Fett, Mehl, Brot, Kartoffeln, Zucker und Marmelade sind nur in behördlich festgesetzten Mengen erhältlich – verursacht jeder Frau große Sorgen, wie sie ihre Familienangehörigen mit diesen karg bemessenen Rationen sättigen sollte. Die Verlegenheit steigert sich an manchen Tagen der Woche ins Unendliche, da es wiederholt vorkommt, daß die präsentierten Marken infolge Mangels an Vorräten trotz Bezugsberechtigung nicht eingelöst werden […] Die Ausgabe von Fettstoffen, die in jeder Haushaltung unentbehrlich sind, gehört schon längst der Vergangenheit an, denn seit Wochen erhielten die Besitzer der weißen Einkaufscheine, das sind die nichtrationierten Käufer, weder Speck noch Butter, die nur im Schleichhandel zu 50 bis 60 Kronen per Kilogramm [40 bis 50 Euro] aufzutreiben sind. Auch Eier sind sowohl von den Märkten wie auch aus den Läden ganz verschwunden. Ein- oder zweimal wöchentlich werden zwar Eier ausgegeben, allein wenn man Glück hat, kann man nach stundenlangem Warten in den Besitz von zwei Stück gelangen."
Links:
Die Schwierigkeiten im Haushalte (Neues Wiener Journal vom 14. Juni 1918)
Heute vor 100 Jahren: Soeben erschienen! Nirgends zu haben! (13. Jänner 1918)
Heute vor 100 Jahren: Schwindel mit Suppenwürze (17. Dezember 1917)
Die Illustrierte Kurorte-Zeitung berichtete am 15. Juni 1918 über die Aktion "Kinder aufs Land" des "Kaiser Karl-Wohlfahrstwerkes". Im Rahmen dieser Aktion verbrachten 180 "schwächliche und kränkliche" Kinder aus Wien einen Erholungsurlaub am Fuße der Rosenburg im malerischen niederösterreichischen Kamptal. Das Kamptal, mit seinen bis heute erhaltenen und teilweise denkmalgeschützten Flussbädern aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert, war nämlich seit dem Bau der Kamptalbahn 1889 eine beliebte Sommerfrische und von Wien in etwa 2 Stunden erreichbar. Die Aktion "Kinder aufs Land" wurde von Kaiser Karl initiiert, der einige seiner Privatliegenschaften für bedürftige Kinder öffnete und andere Mitglieder des Hochadels animierte seinem Beispiel zu folgen.
Die Wiener Kinder wurden im 1896 eröffneten Hotel Rosenburg einquartiert, das nach dem Ersten Weltkrieg zu einem Erholungsheim der gastgewerblichen Gehilfenkrankenkasse wurde: "Das Haus, das ungefähr 180 Kinder faßt, ist am Walde gelegen, und es stehen auch den Kleinen die erquickenden Bäder im warmen Kampfluß zur Verfügung. Unter der Oberleitung Professor Pirquets wird hier wohl ein Musterheim entstehen, in welchem den kränklichen Kindern tatsächlich Erholung und auch Gesundung geboten wird."
1989 wurde das mittlerweile als Erholungsheim der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter geführte Haus geschlossen, die Gebäude stehen aber bis heute.
Links:
Wiener Kinder im Kamptal (Illustrierte Kurorte-Zeitung vom 15. Juni 1918)
Kinder aufs Land. Die erste Privatkolonie des Kaiser Karl-Wohlfahrtswerkes (Titelbild und Artikel auf Seite 8 des Interessanten Blattes vom 20. Juni 1918)
Am 1. April 1918 wurde der regelmäßige Luftpostverkehr in der k.u.k. Monarchie eingeführt und bereits zweieinhalb Monaten später kam es zu einem ersten tragischen Zwischenfall im ungarischen Mosonmagyaróvár (Wieselburg), heute eine Stadt nahe an der Grenze zum Burgenland. Die Illustrierte Kronen-Zeitung berichtete am 16. Juni 1918 von dem Unfall:
"Das am Sonntag von Budapest abgegangene Flugschiff ist am Abend in der Höhe von Wieselburg in Ungarn abgestürzt. Der das Schiff führende Oberleutnant Vargha, ein Bruder des ungarischen Reichstagsabgeordneten gleichen Namens, und der Beobachter, Leutnant Winger, sind dabei tödlich verunglückt."
Die Luftpostpiloten hatten einen gefährlichen Beruf und riskierten ihr Leben, da es häufig zu Unfällen kam. Technische Pannen – Maschinen und Geräte waren nicht zuverlässig, Motoren fielen aus, Vergaser vereisten oder Propeller versagten –, menschliche Fehler und Bruchlandungen gehörten zum Berufsalltag. Wie etwa aus amerikanischen Statistiken hervorgeht, kam es dort alleine im Jahr 1921 zu 1.764 Notlandungen, die jeden 6. Piloten das Leben kostete.
Im Fall des bei Wieselburg abgestürzten Flugzeuges konnte die Unfallursache nicht eindeutig geklärt werden – man ging davon aus, dass es mit den zum Unfallzeitpunkt herrschenden Wetterverhältnissen zu tun hätte:
"Gestern vormittags ging aus Budapest eine militärische Kommission zum Unglücksplatz ab, um den Lokalaugenschein vorzunehmen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Ursache des Unglücks in einer plötzlichen Veränderung der Luftverhältnisse zu suchen ist. Sonntag nachmittags herrschte nämlich eine drückende Hitze, die in der Höhe von 500 bis 600 Meter, in der sich das Flugzeug bewegte, plötzlich katastrophale Luftströmungen hervorrufen konnte. Die Insassen eines Flugzeuges, das Sonntag nachmittags die ungarische Grenze in der Richtung nach Budapest überflog und dort mit einer großen Verspätung einlangte, bekräftigen diese Annahme, indem sie berichteten, daß an der ungarischen Grenze großer Nebel und Stürme herrschten."
Um den waghalsigen Beruf eines Piloten in der Frühzeit der Aeronautik zu ergreifen war eine gehörige Portion Abenteuerlust notwendig. Allerdings wurden Piloten bewundert und einige der Todesmutigen wurden sogar als regelrechte Stars gefeiert.
Links:
Die Flugpost Wien-Budapest abgestürzt (Illustrierte Kronen-Zeitung vom 16. Juni 1918)
Heute vor 100 Jahren: Österreich, der Knotenpunkt des künftigen europäischen Luftverkehrs (1. April 1918)
Am 17. Juni 1918 berichtete die Reichspost von der Initiative des Beraters Kaiser Karls und früherem Außenminister Graf Leopold Berchtold zur Gründung eines "Komitees zur Errichtung eines Kaiser-Franz-Josef-Denkmals in Wien". Der 1916 verstorbene Franz Josef war in der Bevölkerung sehr beliebt, weshalb das Fehlen eines zentralen und gut sichtbaren Denkmals in Wien als Mangel betrachtet wurde:
"In der ritterlichen Gestalt des verewigten Herrschers personifiziert sich eine der bedeutendsten Epoche der vaterländischen Geschichte, die ganze große grundlegende Evolution der außen- und innenpolitischen Neugestaltung des allen österreichischen Kaiserstaates bei gleichzeitigem mächtigem Vorwärtsstreben aller seiner Völker aus allen Betätigungsgebieten des geistigen Lebens. Überdies steht Kaiser Franz Josef, dessen väterliche Güte, dessen abgeklärter Gerechtigkeitssinn, dessen strenger Pflichteifer, uns allen noch in frischer Erinnerung sind, den Herzen der gegenwärtigen Generation menschlich so nahe, daß es uns allen natürlich erscheint, ihm ein Denkmal unserer Anhänglichkeit, unserer Verehrung, unserer Liebe zu weihen."
Erste Ideen zur Errichtung eines monumentalen Kaiser-Franz-Josef-Denkmals tauchten allerdings bereits um 1880 zum 50. Geburtstag Franz Josefs auf. Der berühmte Architekt Otto Wagner entwarf etwa einen 30 Meter hohen, innen begehbaren Riesenkandelaber (Kerzenleuchter), der am Wiener Praterstern erbaut werden sollte. Dieser und andere Entwürfe wurden aber nicht realisiert.
Auch noch nach dem Untergang der Monarchie wurde an den Denkmalplänen weitergearbeitet. 1937 sollte es dann soweit sein und ein monumentales Denkmal am Wiener Heldenplatz errichtet werden. Es kam aber nur mehr zur Errichtung einer Holzattrappe, da dieses Projekt mit der Annexion Österreichs durch Hitler-Deutschland hinfällig wurde.
Bis heute gibt es in Wien aber einige kleinere Denkmäler, die an Kaiser Franz Josef erinnern. Das bekannteste von ihnen steht heute im Burggarten an der Wiener Ringstraße. Es handelt sich um einen Metallabguss des Denkmals, das 1904 vor der Kaserne in Breitensee errichtet wurde, der für Wiener Neustadt bestimmt war und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs verschrottet werden sollte. Letzteres konnte aber verhindert werden und nach jahrzehntelangen Bemühungen des damaligen Präsidenten der Industriellenvereinigung Hans Lauda wurde es 1957 wieder aufgestellt.
Link:
Das Denkmal für Kaiser Franz Josef in Wien (Reichspost vom 17. Juni 1918)
Zu Ende des Ersten Weltkrieges hielt sogenannte "Spanische Grippe" die Welt in Atem. Im Juni 1918 erreichte die Grippe offiziell auch Österreich. Tatsächlich gab es die ersten Grippeopfer bereits 1917. Um den Durchhaltewillen der Bevölkerung nicht zu schwächen, wurde der Ausbruch der lebensbedrohenden Grippe aber verheimlicht. "Die Grippe, die kürzlich durch ihr umfangreiches und heftiges Auftreten in Spanien zur 'spanischen Krankheit' gestempelt wurde, soll nun auch in Innsbruck herrschen und gestern sollen bereits 47 Fälle festgestellt worden sein." berichtete der Allgemeine Tiroler Anzeiger am 18. Juni.
Die Bezeichnung "Spanische Grippe" ist nicht ganz korrekt, da die Pandemie in Nordamerika ihren Ausgang nahm und durch amerikanische Soldaten nach Europa eingeschleppt wurde. Die am stärksten betroffene Region waren aber weder Amerika noch Europa, sondern Asien, wo rund 21 Millionen Menschen an der "Spanischen Grippe" starben. 1918, in dem Jahr als die Grippe offiziell Österreich erreichte, fielen ihr 18.500 Menschen zum Opfer, 1919 starben weitere 2.400 Personen, wobei Egon Schiele das prominenteste Opfer war. Schiele verstarb am 31. Oktober 1918 mit gerade einmal 28 Jahren. Grippewellen, wenn auch weniger verheerend, treten allerdings immer wieder auf, wie der Tiroler Anzeiger weiter ausführte:
"Wie im 'Abendblatt' ausgeführt wurde, war diese Krankheit schon einmal in Tirol und zwar vor fünfzig Jahren. Die epidemische Grippe brach Ende Jänner 1868 in Tirol zunächst im italienischen Landesteile aus und hielt dort anscheinend ziemlich lange unwillkommenen Aufenthalt bei der Bevölkerung. Ein Bericht aus Trient, der aus den ersten Februartagen des Jahres 1868 stammt, stellt fest, daß es in Trient kein Haus gebe, in dem sich nicht Kranke befänden. […] Als die große Grippenepidemie im Winter 1889/90 sich über drei Erdteile ausbreitete, ließ sie Tirol, wie überhaupt die Alpenländer, unberührt. Die Krankheit brach damals in Tomsk in Sibirien aus. Von dort überzog sie binnen vierzehn Tagen alle größeren Städte des europäischen Rußlands und gelangte dann nach Galizien und Innerösterreich. Gleichzeitig erreichte sie Skandinavien, dann Dänemark und Deutschland, überall die großen Städte bevorzugend."
Insgesamt forderte die "Spanische Grippe" weltweit zwischen 20 und 50 Millionen Todesopfer, also weit mehr als alle Schlachten des Ersten Weltkriegs zusammen. Manche Historiker sprechen sogar von 100 Millionen Todesfällen.
Links:
Die spanische Krankheit in Tirol (Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 18. Juni 1918)
Die spanische Grippe. Abflauen in einzelnen Bezirken – Überfüllung der Leichenhallen in den Friedhöfen – Zu wenig Gräber (Die Neue Zeitung vom 23. Oktober 1918)
Weiterlesen: Die Spanische Grippe von 1918
Weiterlesen: Heimkehr mit Grippe im Gepäck
Am 19. Juni 1918 berichtete die Illustrierte Kronen-Zeitung von einem schrecklichen Badeunfall, der sich im niederösterreichischen Donaustrombad in Greifenstein zutrug, bei dem drei junge Frauen aus Klosterneuburg ums Leben kamen. In Ermangelung einer Warntafel und einer Einzäunung des Nichtschwimmerbereichs wagten sich die 3 Schwestern zu weit ins Wasser hinaus, wobei eine der jungen Frau stürzte und die anderen beiden mit sich riss. Der Ehemann der ältesten der Schwestern, Rudolf Zoufal, konnte alle drei eine Zeit lang über Wasser halten und rief dabei laut um Hilfe. Allerdings sahen die anderen Badegäste nur tatenlos zu wie Zoufal die Kräfte verließen und seine Frau gemeinsam mit ihren beiden Schwestern unterging:
"Unter den Besuchern des Bades, die sich teils im Wasser in der Nähe der Unfallstelle teils am Strande befanden, entstand wohl beträchtliche Aufregung, aber niemand fand sich, der es wagte, sich den Ertrinkenden zu nähern. Der 75jährige Schwimmeister war außerstande, eine Rettungsaktion zu unternehmen. Es waren kein Boot, keine Seile und Stangen, noch sonst welche Rettungsmittel zur Stelle. Eine Frau auf dem Ufer beschwor kniefällig einen Badegast um Hilfe, der als guter Schwimmer bekannt ist und im Badeanzug vom Ufer aus die ermattenden Anstrengungen der Unglücklichen beobachtete. Er entzog sich den flehentlichen Bitten und verschwand. Inzwischen erlahmten die Kräfte Zoufals, der sich selbst kaum mehr über Wasser halten konnte; die immer schwerer werdenden Körper der Schwestern entglitten seinen Händen und verschwanden unter den Wellen. Anstrengung und Aufregung hatten Zoufal so ermüdet, daß er das Ufer nicht mehr erreichen konnte und im letzten Augenblick von einem Oberleutnant an das Land gezogen werden mußte. Am Tage nach dem Unglücksfall wurde im Greifensteiner Strombad, in dem schon vor etwa 14 Tagen ein auf Urlaub befindlicher Korporal ertrank, vor dem gefährlichen Raum eine Warnungstafel mit der Inschrift angebracht: 'Hinausschwimmen lebensgefährlich. Polizeilich verboten.' Außerdem wurde der Raum für Nichtschwimmer abgegrenzt. Die Anbringung einer solchen Warnungstafel hätte dem tragischen Ereignisse, bei welchem drei junge Menschenleben vernichtet wurden, vielleicht vorgebeugt."
Link:
Drei Schwestern in der Donau ertrunken (Titelblatt Illustrierte Kronen-Zeitung vom 19. Juni 1918, Artikel auf den Seiten 2 und 3)
Im Juni 1918 wurde in Wöllersdorf im südlich von Wien liegenden niederösterreichischen Industriegebiet eine neue Garnisonskirche vom "Feldbischof" (Militärbischof) Emmerich Bjelik eingeweiht, wie das Interessante Blatt am 20. Juni mit zwei Fotografien dokumentierte. Die Kirche stand ursprünglich auf freiem Feld in der Nähe einer der wichtigsten Munitionsfabriken der Monarchie. Spätere Bilddokumente zeigen, dass im Laufe der Zeit rund um die Kirche Arbeiterwohnhäuser errichtet wurden.
Das Umland von Wiener Neustadt, und damit auch Wöllersdorf, war auch noch im Zweiten Weltkrieg ein Zentrum der Waffen- und Munitionsherstellung; deshalb kam es dort 1944 zu ausgedehnten Bombardements, denen die meisten Fabriks- und Wohnanlagen zum Opfer fielen. Heute erinnern – abgesehen von den bis heute gebräuchlichen topografischen Bezeichnungen "Raketendörfl" und "Feuerwerksanstalt" – nur noch einige wenige Bauten an die ehemalige Munitionsfabrik.
An der Einweihung der heute nicht mehr bestehenden Kirche, die ursprünglich als Garnisonskirche der Munitionsfabrik diente, sollte ursprünglich auch Kaiserin Zita teilnehmen sollte, die allerdings kurzfristig verhindert war. Die Einweihungsfeierlichkeiten fielen pompös aus. Bereits am Vorabend fand ein Zapfenstreich der Werkskapelle samt Lampion-Umzug statt. An der eigentlichen Einweihung nahm "eine vieltausendköpfige Menschenmenge" teil, wie die Reichspost vermeldete, und noch längere Zeit nach der Einweihung dokumentierte eine öffentlich zugängliche Ausstellung in den Räumen des Offizierskasinos der Fabrik die Leistungen der Munitionsfabrik:
"Die Ehrenkompagnie hatte das Infanterieregiment Nr. 68 gestellt, außerdem waren einige Bataillone deselben Regiments sowie andere Truppenkörper zur Spalierbildung herangezogen […] Die in Fachwerk ausgeführte Kirche stellt sich als ein schmucker Bau im deutschen Stil dar, die Pläne hat der Landsturmoffizial Krause entworfen. Nach Beendigung der erhebenden Feier und dem Abmarsch der Truppen wurde den zahlreich erschienenen Offizieren ein Film über die Tätigkeit der Munitionsfabrik im Kriege vorgeführt. Ein Volksfest für die Arbeiterschaft beschloß den Tag" (Wiener Zeitung vom 10. Juni 1918).
Links:
Einweihung der neuen Garnisonskirche in Wöllersdorf (Das interessante Blatt vom 20. Juni 1918)
Ein Jubiläum der k.u.k. Munitionsfabrik in Wöllersdorf (Reichspost vom 11. Juni 1918)
Einweihung einer Garnisonskirche (Wiener Zeitung vom 10. Juni 1918)