Im Jahr 1918 beendete der Direktor des Ischler Kurtheaters Josef Jarno die Spielzeit bereits Ende Juli. Aufgrund des Krieges und der hohen Gagen konnte das Ischler Theater in der Saison 1918 nur kurz bespielt werden:
"Morgen schon, also nach zwanzig Tagen, beendet Direktor Jarno seine erste Ischler Spielzeit. Im Frieden habe die Ischler Theatersaison um diese Zeit ihren Höhepunkt erreicht. […] Jarno hätte übrigens ruhig weiterspielen können, der Besuch der Ischler Bühne begann sich zu geben; verschiedene unüberwindliche technische Hindernisse beseitigen jedoch seinen schon vorher gefassten Entschluss, das Theater Ende Juli zu schließen. Er selbst sagt hierüber folgendes. 'Die heurige Spielzeit war immer nur als ein kurzes Gastspiel meines Ensembles gedacht. Die Pachtung der Ischler Bühne ist für mich Zukunftsmusik. […] Daß ich im Frieden in Ischl auch Operetten zu geben beabsichtige, versteht sich von selbst. In diesem Sommer war mir dies unmöglich. Man denke nur: der Theatermeister bekommt über 600 Kronen Gage, eine Chordame monatlich 450 Kronen. Was mich nach diesem Verhältnis das Orchester gekostet hätte, kann man sich leicht ausrechnen. Früher hatte der erste Tenor in Ischl 210 Kronen.'"
Für Josef Jarno hatte das Ischler Theater einen besonderen Stellenwert, denn Jarno debütierte 1885 selbst auf dieser Bühne, an die zahlreiche bekannte schauspielerische Größen drängten, da das Ischler Sommertheater auch gerne von Kaiser Franz Joseph und Mitgliedern des Hochadels besucht wurde. Bereits 1897 bekam Jarno seinen ersten Direktorenposten am neugegründeten Sommertheater in Bad Aussee, um 1918 kurzfristig die Leitung des Theaters in Bad Ischl zu übernehmen, die er wieder von 1921 bis 1930 innehaben sollte. 1932 verstarb Jarno und erhielt am Wiener Zentralfriedhof ein Ehrengrab, in dem 2 Jahre später auch seine Ehefrau Hansi Niese begraben wurde.
1899 verschlug es Josef Jarno nach Wien, wo er mit der Leitung des Theaters in der Josefstadt betraut wurde. 1905 erwarb er das "Fürst-Theater" im Wiener Prater, das er als Lustspieltheater betrieb. Ab 1927 als Kino geführt, wurde das nun "Lustspielkino" genannte Etablissement in den letzten Kriegstagen 1945 als eines der ganz wenigen Gebäude im Prater nicht zerstört. Erst nach einem Feuer im Auditorium wurde es 1981 abgetragen. Heute steht an der Stelle des zuletzt "Filmpalast" genannten Bauwerks unter anderem Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett.
Link:
Josef Jarno und das Ischler Theater (Neues 8 Uhr-Blatt vom 31. Juli 1918)
"Die Stelle eines Generalintendanten ist bei uns ebenso wie bei den großen Hofbühnen des deutschen Reiches eingeführt, war aber seit Jahren unbesetzt. Baron Andrian, der unter gleichzeitiger Ernennung zum Geheimen Rat zum Generalintendanten ernannt wurde, ist in Kunstkreisen eine geachtete und literarisch interessante Persönlichkeit. Sein Jugendwerk, die Novelle 'Garten der Erkenntnis', erregte bei ihrem Erscheinen großes Ansehen und wurde namentlich in den Kreisen des damaligen 'Jung-Wien', das in dem berühmten Literaturcafé Griensteidl Sitz und Stimme hatte, geradezu als das Paradigma einer neuen Kunst hingestellt. Diesem vielversprechenden Erstlingswerk ließ Baron Andrian allerdings keine weitere Arbeit folgen, sondern wendete sich ganz der diplomatischen Laufbahn zu, für die er erzogen worden war."
Am 1. August 1918 berichtete Das interessante Blatt von der von der offenbar wenig überraschenden Bestellung des Diplomaten Leopold Andrian zum Generalintendanten der kaiserlichen Hoftheater, was heute etwa dem Geschäftsführer der Bundestheater-Holding GmbH entspräche.
Tatsächlich war Andrian eine schon damals schillernde und weit gereiste Persönlichkeit. Sein Vater war Anthropologe und Geologe, seine Mutter die Tochter des Komponisten Giacomo Meyerbeer. Schon im Alter von 20 Jahren sollte er 1895 sein heute als Hauptwerk geltendes Werk "Garten der Erkenntnis" veröffentlichen (ursprünglicher Titel: "Fest der Jugend"). Andrian stand in regem Austausch mit Persönlichkeiten aus der Kunst- und Literaturszene, unter ihnen Hermann Bahr, Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt, Alfred Roller, Arthur Schnitzler oder Richard Strauss und wirkte nach dem Ersten Weltkrieg am Konzept der Salzburger Festspiele mit.
Als Diplomat vertrat er Österreich-Ungarn in Athen, Rio de Janeiro, Buenos Aires, Sankt Petersburg, Bukarest und Warschau. 1914 ins Außenministerium nach Wien zurückberufen, war er wesentlich an der Ausarbeitung der Kriegszielpolitik der Monarchie beteiligt, für die er heute fantastisch anmutende Ideen entwickelte, die für Österreich-Ungarn im Falle eines Sieges sogar Überseegebiete vorsahen. 1918 war Leopold Andrian Mitglied der österreichisch-ungarischen Friedensdelegation in Brest-Litowsk.
Ab 1919 lebte Andrian als wohlhabender Privatier und nahm die liechtensteinische Staatsbürgerschaft an. Als Gegner der Nationalsozialisten flüchtete er 1938 über Frankreich, Spanien und Portugal nach Brasilien, um 1945 nach Nizza zurückzukehren, wo seine Frau den Krieg überlebt hatte. Leopold Andrian starb am 19. November 1951 in der Schweiz und wurde in der Familiengruft im steirischen Altaussee begraben.
Links:
Theater und Literatur (Das interessante Blatt vom 1. August 1918)
Heute vor 100 Jahren: Die Rückkehr des Außenministers aus Brest-Litowsk (15. Februar 1918)
Heute vor 100 Jahren: Die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk (20. Jänner 1918)
Weiterlesen: Über Leopold Andrians "Garten der Erkenntnis" (PDF)
Aktuelle Ausstellung: Parallelaktionen. Freud und die Literaten des Jungen Wien (bis 31. Dezember 2018 im Sigmund Freud Museum, Berggasse 19, Wien)
Vor hundert Jahren berichtete Der Tiroler über einen Erlass zum Ausbau des Telefonnetzes:
"Wie verlautet, wird demnächst ein Erlaß ergehen, nach dem eine allmähliche Ausgestaltung der Telephonlinien mit gleichzeitiger Vermehrung der Telephonapparate durchgeführt werden soll. Der Wiener Telephonverkehr soll hiedurch noch während des Krieges verdichtet werden. Unter einem erfolgt eine Erhöhung der Miet- und Sprechgebühren, doch soll diese Erhöhung die Grenze der bereits in Ungarn durchgeführten nicht überschreiten."
Die Geschichte der Telefonie in Österreich geht bis in die 1870er-Jahre zurück. Nach der Präsentation des ersten "Sprechtelegraphen" von Alexander Graham Bell 1876 wurde der Elektrotechniker Franz Nissl auf die Erfindung aufmerksam und entwickelte einen eigenen Apparat, den er an der Wiener Technischen Hochschule 1877 vorstellte.
Schon 1881 vergab das k.k. Handelsministerium erste Konzessionen für den Telefonbetrieb, die zunächst an Privatunternehmen gingen. Weil diese Privatunternehmen den Qualitätsanforderungen oft nicht genügten, wurden die Konzessionen zurückgekauft und das Telefonnetz verstaatlicht. Von diesem Zeitpunkt an wurde das österreichische Fernsprechnetz von der k.k. Post- und Telegraphenverwaltung betrieben, die die Teilnehmerzahlen rasch steigern konnte (1881: 154 Teilnehmer; 1901: 34.651 Teilnehmer).
Knapp nach der Jahrhundertwende wurden erste Münztelefone aufgestellt, das erste davon am 17. August 1903 am Wiener Südbahnhof. Anfangs wurden Telefonleitungen oberirdisch verlegt, was bei Gewittern allerdings zu Störungen führen konnte. Deshalb wurde 1916 das Telefonkabel zwischen Wien, St. Pölten und Linz bis nach Nürnberg erstmals unterirdisch verlegt.
1996 ging aus der Post- und Telegraphenverwaltung die "Post und Telekom Austria AG" hervor, was den Übergang zu einem – wie zuletzt 1881 – liberalisierten Telefonmarkt einläutete.
Link:
Vermehrung und Verteuerung des Telephons (Der Tiroler vom 2. August 1918)
Am 3. August 1918 berichtete die Illustrierte Kronen-Zeitung über eine Pressekonferenz des Wiener Bürgermeisters Richard Weiskirchner, in der er die kriegsbedingte Überlastung des öffentlichen Verkehrs beklagte. Zahlreiche Straßenbahner waren zur Armee eingezogen worden, es fehlte vor allem an technisch geschultem Personal, um die Wägen und Geleise zu warten, abgesehen davon, dass die dafür notwendigen Materialen und auch Werkzeuge nicht mehr aufzutreiben waren. Von insgesamt 13.700 Bediensteten waren mittlerweile mehr als 7.000 Frauen, die vor allem als Schaffnerinnen und Fahrerinnen zum Einsatz kamen – vor dem Krieg beschäftigten die Wiener Straßenbahnen gerade einmal 250 Frauen. Auch die die Zahl der Fahrgäste hatte sich seit Kriegsbeginn stark vergrößert und sich seit Kriegsbeginn auf über 600 Millionen verdoppelt. Knapp 800 Wägen waren im Sommer 1918 noch einsatzfähig, wobei mit dem baldigen Ausfall von weiteren 200 Wägen gerechnet wurde. In diesem Zusammenhang plädierte der Wiener Bürgermeister für die Unterlassung "unnötiger" Fahrten und kündigte dafür an, sich – entgegen den Plänen des Direktors der städtischen Straßenbahnen – für einen Betriebsschluss um 21:30 Uhr statt um 21:00 Uhr einzusetzen:
"Bürgermeister Dr. Weiskirchner brachte die nun schon seit gestern gemeldeten Stadtratsbeschlüsse – den Hilferuf an den Kaiser und den Aufruf an die Bevölkerung, alle nicht unbedingt nötigen Straßenbahnfahrten zu unterlassen – in Erinnerung. Er selbst, erzählte der Bürgermeister, habe die Beobachtung gemacht, daß heute noch sehr viel unnötig gefahren wird. Wiederholt sah er zum Beispiel an der Kreuzung Ringstraße-Operngasse zahlreiche Leute warten und warten, um das kleine Endstück der Straßenbahn zum Neuen Markt nicht zu Fuß zurücklegen zu müssen."
Heute werden von den Wiener Linien jährlich mehr als 900 Millionen Passagiere befördert. Aus der Statistik der Wiener Linien aus dem Jahr 2016 geht hervor, dass etwa 300 Millionen Passagiere mit der Straßenbahn unterwegs waren, die im Jahr 2016 über 514 Triebwägen und 178 Beiwägen verfügte. 440 Millionen Passagiere wählten die U-Bahn, die über 900 Wägen im Einsatz hatte und weitere 200 Millionen Passagiere nutzten 2016 die 450 städtischen Autobusse.
Link:
Die Wiener Tramwaynot (Illustrierte Kronen-Zeitung vom 3. August 1918)
Die Donau dient bis heute als wichtige Verkehrsader zwischen Süddeutschland und dem Schwarzen Meer. Im Ersten Weltkrieg wurde die Donau zu einer besonders wichtigen Verbindung zwischen den Mittelmächten Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und der Türkei:
"Noch vor wenigen Jahren wäre es ein gewagtes Unternehmen gewesen, über Wien als Hafenstadt eine Abhandlung schreiben, geschweige denn eine Folge von Bildern veröffentlichen zu wollen. Man hätte wenig und nichts Erfreuliches zu schreiben und noch viel weniger in Bildern darzustellen gehabt. Die ‚schöne blaue Donau‘ war den Wienern nur aus den Liedern der Volkssänger bekannt und wer nicht beruflich mit der Schiffahrt zu tun hatte, der sprach von der 'großen' Donau so, als gehöre sie gar nicht zu Wien. Ganz anders liegen die Verhältnisse heute. Erst der Weltkrieg mußte kommen, um uns die außerordentliche Bedeutung der Donau als Hauptverkehrsstraße zwischen den Mittelmächten und dem Orient erkennen zu lassen. Heute weiß jedermann, was diese großartige, natürliche Wasserstraße hinsichtlich unserer und der Armeen-Versorgung geleistet hat, und daß nur die 'freie Donau' uns das wirtschaftliche Durchhalten ermöglicht hat. Es ist zweifellos, daß der Donau-Verkehr nach Eintritt normaler Verhältnisse einen ganz bedeutenden Aufschwung nehmen wird. Ist doch den Eingeweihten bekannt, daß sich schon vor Kriegsbeginn eine stetige Verkehrszunahme, namentlich im Stückgüterverkehr gezeigt hat. Aber den meisten Wienern wird es wohl nicht bekannt sein, daß der Umschlagverkehr im Jahre 1912 bereits die ansehnliche Menge von fast 2.000.000 Tonnen, oder 200.000 Eisenbahnwagenladungen erreicht hat. […] Namentlich der Hauptumschlagsplatz 'Praterkai' mit seinen Kränen, Verladebrücken, Getreideelevatoren und Speicheranlagen, aus dem die Hälfte des gesamten Wiener Güterverkehres abgewickelt wird bietet dem, die Reichsbrücke passierenden Beschauer ein Bild eines lebhaft bewegten Hafenverkehres."
Angelegenheiten der der Donausschifffahrt werden seit 1856 im Rahmen der Donaukommission geregelt, die ihren ursprünglichen Sitz im rumänischen Galatz hatte. Während des Ersten Weltkriegs ruhten die Aktivitäten der Kommission, wurden aber nach 1918 von den Siegermächten wieder aufgenommen. Erst zwischen 1921 und 1923 erhielten auch die ehemaligen Mittelmächte und Donau-Anrainerstaaten Deutschland, Österreich, Ungarn und Bulgarien wieder gleichberechtigte Schifffahrtsrechte auf der Donau. Heute hat die Donaukommission, deren Funktionäre Diplomatenstatus genießen, ihren Sitz in Budapest.
Link:
Wien als Hafenstadt (Österreichs Illustrierte Zeitung vom 4. August 1918)
Die Salzburger Festspiele, deren Gründungsgeschichte eng mit der Ersten Republik verbunden ist, haben ihre Wurzeln in der untergehenden Monarchie. Im August 1918 tagte nämlich die "Salzburger Festspielhaus-Gemeinde" bereits zum 14. Mal:
"Unter dem Vorsitze des Direktors Friedrich Gehmacher hat Samstag abends die zahlreich besuchte Generalversammlung des Zweigvereines Salzburg der 'Salzburger Festspielhaus-Gemeinde' stattgefunden, nachdem vor einigen Tagen der Wiener Zweigverein zu seiner Generalversammlung zusammengetreten war. Nach Verlesung der Protokolle über die am 7. Dezember v.J. im 'Mirabell' stattgefundene Gründungsversammlung des Vereines, der seinen Hauptsitz in Wien, die eigentliche Führung jedoch in der Salzburger Zweigstelle hat, erstattete Oberstleutnant Frank den trotz der verhältnismäßig kurzen seit Gründung des Vereines verflossenen Zeit, sehr umfangreichen Tätigkeitsbericht, aus dem mit Genugtuung entnommen wurde, daß in bisher dreizehn Ausschußsitzungen durch eifrige Werbetätigkeit und stets fortschreitenden Ausbau aller förderlichen Einrichtungen eine erfolgversprechende Grundlage für die Verwirklichung des Festspielhausgedankens geschaffen worden ist. So ist die Gemeinde auf bereits 269 Mitglieder mit erheblichen Beiträgen angewachsen, ein klarer Beweis für die Zugkraft der Idee […] Am 15. August findet unter dem Vorsitze des Präsidenten Prinzen von Thurn und Taxis im Marmorsaale des Mirabellschlosses die erste Hauptversammlung des Gesamtvereines statt, der mit lebhaftem Interesse entgegengesehen wird. Aus diesem Anlasse wird auch ein Konzert gegeben werden, das für Salzburg ein musikalisches Ereignis bedeuten wird, da es dem Vereine gelungen ist, den Bläserchor der Wiener Hofoper hiefür zu gewinnen."
Die ersten Pläne für die Errichtung eines Festspielhauses auf dem Mönchsberg stammten von den Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer, die in zahlreichen Städten der Monarchie von Czernowitz bis Klagenfurt ihre architektonischen Spuren hinterließen. Danach wurde ein Projekt im Park des Schlosses Hellbrunn angedacht, das aber nicht über die symbolische Grundsteinlegung durch Richard Strauss hinauskam. Erst 1925 wurde das erste Salzburger Festspielhaus, heute das "Haus für Mozart", mit Hugo von Hofmannsthals "Das Salzburger große Welttheater" (Regie von Max Reinhardt) eröffnet. 1960 entstand in unmittelbarer Nähe zu diesem ursprünglichen Festspielhaus an Stelle der ehemaligen fürsterzbischöflichen Pferdestallungen das "Große Festspielhaus."
Links:
Salzburger Festspielhaus-Gemeinde (Salzburger Volksblatt vom 5. August 1918)
Die Festspiel-Idee. Rede, gehalten bei der Generalversammlung der Festspielhaus-Gemeinde in Salzburg, von Rudolf Holzer, Wien (Salzburger Volksblatt vom 16. August 1918)
Die Freien Stimmen beschwerten sich am 6. August 1918 über die Raserei der schweren Militärlastwägen in der Klagenfurter Khevenhüllerstraße, wodurch die Anwohnerinnen und Anwohner aus dem Schlaf gerissen und ihre Häuser in Mitleidenschaft gezogen wurden:
"Nach wie vor fährt der schwere Lastkraftwagen mit dem Gefrierfleisch für die Garnisonsmenage oder für eine sonstige militärische Stelle alltäglich in den frühesten Morgenstunden, zwischen 4 und 5 Uhr ratternd, polternd und die Häuserwände erschütternd durch die Khevenhüllerstraße […] Vielleicht hilft der Hinweis darauf, daß in der Khevenhüllerstraße auch Offiziersfamilien wohnen, die über die Rücksichtslosigkeit der militärischen Kraftwagenfahrer geradeso erbittert sind wie die übrige Bewohnerschaft. Daß das Gefrierfleisch obendrein in den Lastkraftwägen unbedeckt geführt und daher allem Staub und Schmutz preisgegeben wird, sei nur nebenbei erwähnt."
Heute ist die Khevenhüllerstraße eine ruhige, beschauliche Straße am Rande des Klagenfurter Villenviertels; die Zeit der ratternden Militärfahrzeuge ist dort lange vorbei.
Link:
Keine Abhilfe! (Freie Stimmen vom 6. August 1918)
Am 7. August 1918 veröffentlichte Das Abendblatt – Unabhängige Tageszeitung für die Landeshauptstadt Innsbruck eine offenbar an der Zensur "vorbeigelotste", sehr eindringliche Schilderung über die Versuche von hungernden Innsbruckern an Frühkartoffeln zu kommen:
"Nun ist es gelungen, wenigstens eine kurze Schilderung über die Vorfälle beim jüngsten Kartoffelzug ins Oberinntal an der Scylla der gestrengen Zensur vorbeizulotsen. In Flaurling erwartete am 30. Juli eine große Menge die Ankunft des Abendzuges ab. Es waren, wie dem 'A.T.A.' geschrieben wird, Personen aus der Stadt, sehr viele Kinder und Frauen, bepackt mit schweren und schwersten Rucksäcken, vollgestopft mit Frühkartoffeln. Schon war eine verstärkte Militärpatrouille in Sicht. In diesem Augenblick fuhr der Zug in den Bahnhof ein. Im ersten Augenblick schien es, als ob die vielen Leute unmöglich in dem Zuge untergebracht werden könnten. Allein der diensthabende Beamte hatte schon lange vorher in Telfs die Anhängung von zwei Wägen besorgt. Es waren zwar nur Viehwagen, aber das machte nichts. Die Steigbretter wurden angelegt und alt und jung half sich gegenseitig in den Wagen hinein. Eben hatte der letzte Rucksack sein Plätzchen bekommen, da kam die Militärabteilung zum Bahnhof herein. Es war aber schon zu spät, der Zug fuhr bereits ab! Die Leute im Zuge waren natürlich ganz außer sich vor Freude und schrien und lachten und jubelten und schwangen die Sacktücher. Ihre Kartoffeln waren gerettet! – Auch in Telfs hatte sich am gleichen Tage vor Ankunft des Nachmittagszuges eine nach vielen Hunderten zählende Menge von Innsbruckern auf dem Bahnhofe angesammelt. Alle waren schwer bepackt mit Kartoffelsäcken. Auf einmal kam Gendarmerie und Militär und beschlagnahmte die Kartoffeln. Mit Tränen in den Augen baten Kinder und alte Leute, ihnen die Kartoffeln zu lassen, da sie sonst verhungern müßten. Umsonst! Einer nach dem anderen mußte die Kartoffeln ausschütten, die sie teuer gekauft und weit hergeschleppt hatten, und den eigenen Namen und den des Verkäufers, sowie den Preis, den sie für die Kartoffeln gezahlt hatten, angeben. Viele Leute baten mit aufgehobenen Händen, man möge ihnen die Kartoffeln lassen. Als die Kartoffeln ausgeschüttet waren, trat in der Menge, in der früher furchtbares Drängen, Schreien und Weinen geherrscht hatte, eine merkwürdige Stille ein. Wie zerschlagen warteten sie die Ankunft des Zuges ab. Endlich kam dieser und führte die armen Menschen in die arme Stadt!"
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Der Kampf um die Erdäpfel (Das Abendblatt – Unabhängige Tageszeitung für die Landeshauptstadt Innsbruck vom 7. August 1918)
Heute vor 100 Jahren: Vom Hamstern (28. Mai 1918)
Der grausame Mord im noblen Wiener Hotel Bristol am 23. Mai 1918 an Juliane Earl – eine persönliche Angestellte der Baronesse von Vivante – erregte in ganz Österreich großes Aufsehen. Die Ermittlungen ergaben, dass der Neffe der Baronesse Emmo Davit seine Tante, die gewöhnlich im Hotel Bristol abstieg, dort öfters um Geld bat. Davit behauptete gegenüber seiner Tante, dass er Juliane Earl liebe; tatsächlich plante er aber gemeinsam mit seinem Komplizen Kurt Franke über Frau Earl einen Zugang zum Hotelsafe zu bekommen. Da ihm letztere auf die Schliche kam, musste sie sterben. Die öffentliche Empörung war besonders hoch, weil das Mordopfer von den Tätern derartig misshandelt worden war, dass die Todesursache nicht mehr eindeutig feststellbar war. Am 8. August 1918 endete der Gerichtsprozess mit zwei Schuldsprüchen für Emmo Davit und den erst 17jährigen Kurt Franke. Davit, der von der Familie Vivante finanziell großzügig unterstützt wurde, konnte offenbar nicht genug bekommen:
"Da erspäht er [Emmo Davit] eine entfernte Möglichkeit, den Weg zu einer größeren Geldsumme zu kommen, die ihm ein Testament sichert, zu beschleunigen. Das Mittel hiezu ist ein blutiges Verbrechen, die heimtückische Ermordung eines arglosen Mädchens, das er seit anderthalb Jahrzehnten als Gesellschafterin im Hause seiner Tante kennt. Er entschließt sich ohne Skrupel für die Hinwegräumung des kleinen Hindernisses und gewinnt seinen gelehrigen Schüler [Kurt Franke] ohne Schwierigkeit für den grausigen Plan. Die Vorbereitung für die Ausführung und diese selbst offenbaren einen Grad von Roheit und Verworfenheit, der jeder Bezeichnung spottet. Kein Tier kann gefühlloser werden, als es die Mörder vom Hotel 'Bristol' des Mammons halber getan haben. Das Gericht hat gesprochen, das Verdikt über das Mörderpaar ist gefällt. Das Rechtsempfinden, immer zu Zugeständnissen an das Mitleid geneigt, hier sagt es schaudernd Amen!"
Beide Täter zeigten sich geständig, beschuldigten sich aber gegenseitig. Das Gericht verurteilte Kurt Franke zu 15 Jahren schweren Kerkers. Emmo Davit wurde zum Hauptschuldigen erklärt und zum Tode durch den Strang verurteilt. Da die Todesstrafe aber in der Ersten Republik abgeschafft wurde, entging Davit der Hinrichtung und wurde begnadigt.
Link:
Der Raubmord im Hotel Bristol (Reichspost vom 8. August 1918)
"Es dürfte etwa eine Viertelstunde nach neun Uhr gewesen sein, als sich die Aufmerksamkeit dem Fliegergeschwader zuwendete, das von Süden her über Wien heranzog. Zuerst dachte man natürlich, daß es österreichisch-ungarische Flugzeuge seien und als selbst die Flugzettel förmlich herunterrieselten, meinte man, es wären etwas wie jüngst bei der Agitation für die Kriegsanleihe aus den Lüften. Als man die Flugzettel freilich in die Hand nahm, erkannte man sofort, daß es italienische Flieger seien. Das sah man dann auch ihnen an, denn die Flugzeuge gingen ziemlich tief herunter, siebenhundert bis tausend Meter über der Straße. Die Flugzettel strömten aus dem ganzen Fluge herunter; das Zeichen zum Abwerfen gab anscheinend der an der Spitze fliegende Apparat, von dem die ersten Stöße der Zettel in die Tiefe gingen; die Aufrufe wurden gleichsam aus Hülsen hinausgeworfen. Man sah die Zettel in der Inneren Stadt, auf der Landstraße, Wieden, Josefstadt, Alsergrund, Margareten, Meidling, Rudolfsheim und Fünfhaus; nach etwa zwanzig Minuten entschwanden die Flugzeuge und das Schauspiel war zu Ende."
Am 9. August 1918 vollführte der italienische Schriftsteller und spätere Ideengeber des italienischen Faschismus Gabriele D'Annunzio ein militärisches Husarenstück: Mit insgesamt 11 leichten Flugzeugen, die bis zu 3.600 Meter hoch fliegen konnten, startete er zu einem Propagandaflug nach Wien. Drei Flugzeuge mussten schon auf dem Hinflug noch über italienischem Territorium notlanden, ein viertes kurz vor Wien (die Besatzung wurde gefangen genommen), sodass schließlich 7 Flugzeuge über Wien kreisten, wo sie aus geringer Höhe etwa 400.000 Flugblätter mit propagandistischem Inhalt abwarfen. Die Reaktion der Wiener Bevölkerung war vor allem Neugier:
"In der Inneren Stadt blieben Tausende plötzlich stehen und reckten die Hälse in die Höhe; Leute, die ins Bureau liefen, vergaßen für Augenblicke ihre Pflicht; Frauen mit Handtaschen verzögerten den Gang zum Anstellen; die Gassenbuben sprangen vor Vergnügen; Soldaten und Dienstmänner besprachen interessiert die Chancen der feindlichen Flieger. Und als die Zettelchen und Flugblätter niederflatterten, suchte jeder einen solchen Wisch zu fangen. Im Volksgarten, wo Wiens gepflegte Jugend die seligen Stunden des Vormittags genießt, wirkten die unerwarteten Zettelchen wie ein großer erotischer Schmetterlingsschwarm. Die Kinder vergaßen Reifen, Ball, Diabolo und suchten, die komischen Schmetterlinge zu fangen."
Am Tag nach dem unerwarteten Besuch der italienischen Flieger, am 10. August 1918, wurde in der österreichischen, aber auch in der internationalen Presse, ausführlich darüber berichtet. Die Arbeiter-Zeitung, die auch Worte der Anerkennung für die fliegerische Leistung der Italiener fand, die immerhin 1.200 Kilometer ohne Zwischenlandung – zumeist in großer Höhe – in ihren offenen Flugzeugen zurücklegen mussten, veröffentlichte sogar den Wortlaut der Flugblätter.
Links:
Italienische Flieger über Wien (Arbeiter-Zeitung vom 10. August 1918)
D'Annunzios Schmetterlingsschwarm (Neues Wiener Tagblatt vom 10. August 1918)
Weiterlesen: Der Flug über Wien (Wikipedia)