Am 9. Oktober erschien im Feldkircher Anzeiger ein Bericht über die Festsitzung des Museums- und Heimatschutzverein für Feldkirch und Umgebung, die wenige Tage zuvor stattgefunden hatte:
"In der am 26. v. Mts. abgehaltenen Festsitzung wurde Herr Bürgermeister Franz Unterberger zum Ehrenmitglied ernannt. In richtiger Erkenntnis der Heimatschutz-Bestrebungen hat Hr. Bürgermeister Franz Unterberger dem Vereine werktätigste Förderung durch Rat und Tat angedeihen lassen, insbesondere durch die Anweisung des Schlosses Schattenburg zum Sitze des Museums, vor allem aber durch die großmütige Spende von 5.000 Kronen [2.472,– Euro] für Vereinszwecke. Auch an dieser Stelle sei dem Herrn Bürgermeister der gebührende Dank zum Ausdruck gebracht."
Der Museums- und Heimatschutzverein für Feldkirch wurde 1912 vom Feldkircher Maler Florus Scheel d.Ä. gegründet. Eine der Hauptaufgaben des Vereins war die Sammlung altertümlicher Gegenstände aus dem Raum Feldkirch und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der spätere Vereinssitz, die Schattenburg, deren langsamer Verfall bereits in den 1770er Jahren begann, wurde bis etwa 1820 als Gefängnis genutzt, dann als Kaserne und später als Armenhaus. Danach stand der Abriss der Burg mehrmals zur Debatte, zuletzt 1914. Der Museums- und Heimatschutzverein konnte nicht nur den Abriss verhindern, sondern begann die Burg wieder zu beleben.
1917 wurde auf Initiative des damaligen Bürgermeisters das Heimatmuseum Feldkirchs in der Schattenburg untergebracht. Dieses wurde 2009 ausgebaut und lockt heute – im 800. Jubiläumsjahr der Stadt Feldkirch – rund 25.000 Besucher jährlich an.
Links:
Museums- und Heimatschutzverein für Feldkirch und Umgebung (Feldkircher Anzeiger vom 9. Oktober 1918)
Weiterlesen: Das Schattenburgmuseum Feldkirch
Weiterlesen: FK 800+ (800 Jahre Stadt Feldkirch)
Im Herbst 1918 verbreitete die Spanische Grippe weltweit Angst und Schrecken, Schulen und Kinos wurden von Amtswegen geschlossen und wegen der Erkrankung des Eisenbahnpersonals musste auch der Zugsverkehr vor allem auf der Nord- und Südbahneingeschränkt werden. Am 6. Oktober 1918 berichtete die Neue Zeitung über Initiativen, um die Ausbreitung der Spanischen Grippe in Wien zu bekämpfen:
"Auf eine Anfrage des Gemeinderates Löwenstein in der gestrigen Gemeinderatssitzung erklärte Bürgermeister Dr. Weiskirchner: '[…] Bezüglich des Medikamentenbedarfes haben über meine Initiative Verhandlungen mit dem Apotheker-Hauptgremium stattgefunden und in einer dringlichen Eingabe an die deutsche Reichsregierung wurde um die Ueberlassung der für Wien notwendigen Medikamente ersucht. Ich habe weiters interveniert, damit die im Militärdienst stehenden Aerzte zur Behandlung der Kranken zur Verfügung stehen und habe ferner ersucht, daß eine Anzahl von Magistern, die in Wien in militärischen Diensten stehen, ihre Dienste widmen können. Die Sache steht so, daß tatsächlich auch hier wieder durch das Zögern der Regierungsorgane eine Beunruhigung in der Bevölkerung platzgegriffen hat' […] Mit Rücksicht auf die zahlreichen während der letzten Tage in Wien und Umgebung festgestellten Erkrankungen an spanischer Grippe hat der Landesschulrat am 5. d.M. die Direktionen der ihm unmittelbar unterstehenden Lehranstalten ermächtigt, bei Wahrnehmung einer größeren Zahl derartiger Krankheitsfälle unter der Schuljugend nach eigenem Ermessen, eventuell nach Anhörung des Amtsarztes oder des Schularztes, die Schließung einzelner Klassen oder der ganzen Anstalt für einen Zeitraum anzuordnen und durchzuführen […] Die Militärbehörden haben wegen des gehäuften Auftretens der 'spanischen Grippe' verfügt, daß bei naßkalter Witterung oder empfindlicher Kälte die Unterkünfte (auch Kriegsgefangenenlager) schon vor Eintritt des vorgeschriebenen Heiztermines zu heizen sind […], und daß die Mannschaft zu belehren ist, zur Vermeidung von Kontaktinfektionen den Besuch schlecht gelüfteter Lokale, wie Wirtshäuser, Kinos und dergleichen zu unterlassen."
Während in Österreich insgesamt rund 21.000 Menschen an der Spanischen Grippe starben, waren es weltweit zwischen 20 und 50 Millionen Todesopfer, also weit mehr als alle Schlachten des Ersten Weltkriegs zusammen.
Links:
Der Kampf gegen die Grippe (Die Neue Zeitung vom 10. Oktober 1918)
Heute vor hundert Jahren: Die spanische Krankheit in Tirol (18. Juni 1918)
Die Reichspost berichtete am 11. Oktober 1918 über die Ottakringer Feuerwehr, die tags darauf ihr 50jähriges Bestehen feiern sollte. Aus diesem Anlass, beschäftigte sich die Reichspost mit der Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr in Ottakring:
"Ottakring war noch eine selbständige Vorstadt, als die Feuerwehr begründet wurde. Ihr erster Hauptmann war der Wirtschaftsbesitzer Ferdinand Degen. Ihm folgte vor 29 Jahren Herr Karl Kantner, der noch jetzt an der Spitze des Korps steht. In den 50 Jahren ihres Bestandes ist die freiwillige Feuerwehr nicht weniger als 3833mal ausgerückt, darunter bei 18 Hochwasserkatastrophen. 65 Mann haben sich im Dienste Verletzungen geholt. Ihre ausgezeichneten Leistungen wurden durch nicht weniger als 33 Dekorationen anerkannt. Das Korps besitzt auch die Goldene Salvatormedaille der Stadt Wien. Auf sich selbst gestellt, hat die Feuerwehr in den 50 Jahren selbst 200.000 Kronen [ca. 1,1, Millionen Euro] für Feuerwehrzwecke aufgebracht."
Die ersten freiwilligen Feuerwehren entstanden in Österreich bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts und gingen aus Turnvereinen hervor. Um 1900 waren die heutigen Wiener Außenbezirke noch eigenständige Gemeinden, in denen im Gegensatz zur Kaiserstadt Wien, die über eine Berufsfeuerwehr verfügte, freiwillige Feuerwehren existierten. Die Ottakringer Feuerwehr wurde im Oktober 1868 gegründet und bestand bis in die 1920er Jahre, bis sie mit der Freiwilligen Feuerwehr Hernals zusammengelegt wurde. Heute wird das gesamte Stadtgebiet Wiens, also auch die Bezirke Ottakring und Hernals, von der Berufsfeuerwehr beschützt.
Links:
Jubiläum der Ottakringer Feuerwehr (Reichspost vom 11. Oktober 1918)
Heute vor 100 Jahren: Der Waldbrand im Wiener Vorort Neuwaldegg (5. Oktober 1917)
Weiterlesen: Die Freiwillige Feuerwehr in Wien
Mode ist etwas Schnelllebiges und ein Trend folgt dem Nächsten. Jede Epoche hat ihre spezifischen Kleidungsstücke und Stile. Es ist also kaum verwunderlich, dass der Krieg auch die Mode beeinflusste, wie das Neuigkeits-Welt-Blatt am 12. Oktober 1918 feststellte:
"Es ist ein alter Erfahrungssatz, daß die Damenmode immer und überall von jeweiligen Ereignissen beeinflußt wird und daß aus dieser Weise gewissermaßen sich die Vorgänge der Zeit zum Teil in der Bekleidung widerspiegeln. Selbstverständlich ist dies auch jetzt in der Kriegszeit der Fall und hüben wie drüben läßt sich der Einfluß des Krieges auf die herrschende Damenmode beobachten. Man braucht zu diesem Zweck nur unser heutiges Weltbild zu betrachten, das links einen unserer Feldgrauen mit dem vielbewährten Stahlhelm zeigt, neben dem eine nach, neuer Mode gekleidete Dame abgebildet ist. Wie außerordentlich ähnlich sind sich z. B. die beiden Kopfbedeckungen! Man glaubt förmlich, die Dame trage auch einen Stahlhelm, und doch ist es die moderne Schöpfung einer Modistin, die eben dem Zug der Zeit Rechnung trägt. Noch auffallender zeigt dies das rechts stehende Bild, das eine englische Modedame und neben ihr einen Offizier der schottischen Hochländer darstellt. Von der Kopfbedeckung an bis zu den Gamaschen ist hier alles dem Kriegskleid des Mannes nachgeahmt und es muß wohl einen ganz seltsamen Anblick gewähren ein Pärchen in dieser sich so außerordentlich ähnlichen Kleidung auf der Straße zu erblicken."
Die Mode wurde während des Kriegs allerdings nicht nur von Uniformen geprägt, sondern auch von der kriegsbedingten Mangelwirtschaft. So entstand beispielsweise Kleidung aus Papierstoffen oder aus kratzigem Brennnesselgarn.
Ein Mantel, der im Ersten Weltkrieg entwickelt wurde, zählt heute allerdings zu den zeitlosen Klassikern. Das Besondere an diesem neuartigen Mantel war der wasserabweisende Gabardinestoff, der Ende des 19. Jahrhunderts von Thomas Burberry in England erfunden wurde. Aufgrund der Witterungsbeständigkeit wurde das britische Militär bald auf den neuen Stoff aufmerksam und Burberry überarbeitete den Mantel für den Einsatz im Schützengraben (Englisch: Trench). Nach dem Weltkrieg sollte der ursprünglich ausschließlich Offizieren vorbehaltene Schützengraben-Mantel als "Trenchcoat" seinen Siegeszug um die Welt antreten.
Links:
Hüben und drüben! Der Einfluß des Krieges auf die Damenmode bei uns und anderswo (Neuigkeits-Welt-Blatt vom 12. Oktober 1918)
Heute vor 100 Jahren: Kleider aus Papierfasern (9. Juli 1918)
Anfang des 20. Jahrhunderts war das Medium "Film" noch neu und machte neugierig. Zahlreiche Kinos entstanden und in Wien etablierte sich eine lebhafte Filmindustrie. Am Sonntag den 10. Oktober 1918 wurde im Central Kino in der Taborstraße 8, dem laut Eigendarstellung "größten und schönsten Kino Wiens" (heute ein Lebensmittelgroßmarkt), im Rahmen eines "Doppelprogramms" die "Erst- und Alleinaufführung" von "Janayas indischer Zirkus" gegeben, begleitet vom Konzertorchester Nadler:
"Phantastisches indisch-europäisches Drama aus dem Zirkusleben. In der Hauptrolle: Ferdinand Bonn. Originalaufnahmen aus Ceylon. Elefanten-, Tiger und Löwentruppen aus der Menagerie des Zirkus Sarasatti, Berlin, über 6000 Zuschauer."
Als zweiter Film des "Doppelprogramms" wurde die Erstaufführung des Detektivdramas "Der Eisenbahnmarder" aus dem Filmverleih Stuart Webbs angekündigt.
Das Zentrum der Wiener Filmindustrie lag damals im 7. Wiener Bezirk rund um die Neubaugasse 25. Hier befand sich das legendäre Café Elsahof in einem bis heute bestehenden Gebäude, das 1911 vom Architekten Hans Prutscher in Anlehnung an die Formensprache Otto Wagners errichtet wurde und auch zahlreiche Büros aus der Filmbranche beherbergte, darunter den oben bereits erwähnten Filmvertrieb "Stuart Webb", die "Filmleihanstalt Engel & Walter", die "Gesellschaft für Kinoindustrie und Filmvertrieb m.b.H. Das Kino", die "Projectograph A.G." (sogar mit eigenem Projektionsraum!), die "Star Filmfabrik und Filmvertrieb A.G.", die "Film-Leihanstalt Friese & Kennedy", die "Preiss-Film", die "Delta Film-Vertriebs-Gesellschaft m.b.H.", die "Messter-Film- und Apparate-Ges.m.b.H.", die "Helios-Film Ges.m.b.H." und die "Polo Film- Vertriebs-Gesellschaft m.b.H." Das im Erdgeschoß gelegene Café Elsahof, das auf der Rückseite des Gebäudes auch über einen ruhigen Gastgarten verfügte, galt als der Treffpunkt der Wiener Filmbranche schlechthin.
Trotz der Vertreibung und Verfolgung der Filmschaffenden während des Nationalsozialismus aus rassistischen und politischen Motiven, flackerte das filmische Leben in Wien-Neubau rund um das Café Elsahof nach 1945 für kurze Zeit wieder auf, wie der Wiener Schauspieler, Schriftsteller und Theaterintendant Gerhard Tötschinger in einem literarischen Streifzug durch die Wiener Bezirke berichtet:
"Selbst nach dem Ende der großen Ära des Filmviertels gab es in der Neubaugasse den Sitz der Schönbrunnfilm, der Paula-Wessely Film. Im Café Elsahof sah man Tag für Tag an seinem Stammtisch den früheren Major Carl Szokoll, der sich dem Widerstand angeschlossen hatte und mit der 'Operation Radetzky' um die kampflose Übergabe Wiens an die Rote Armee bemüht gewesen war. Nach dem Krieg wechselte Szokoll zum Film, wurde Produktionsleiter bei der Schönbrunn-Film und der Cosmopol-Film, gründete seine eigene Firma Neue Delta und blieb dem neuen Beruf und der und der Neubaugasse treu."
Das Café Elsahof war in der Nachkriegszeit aber nicht nur der Treffpunkt Filmschaffender, sondern auch ein Billardcafé, denn ab 1945 fanden dort fast alle wichtigen österreichischen Billardereignisse statt. Kurz vor der endgültigen Schließung wurden 1971 die nationalen Billiardmeisterschaften zum letzten Mal im Café Elsahof ausgetragen. Auch dieses Café ist heute ein Lebensmittelgroßmarkt.
Links:
Theater und Vergnügungen, Central Kino (Neue Freie Presse vom 13. Oktober 1917)
Heute vor 100 Jahren: Die Grazer Erstaufführung zweier Stummfilme (27. September 1918)
Heute vor 100 Jahren: Franz Lehar im Film (25. Mai 1918)
Heute vor 100 Jahren: Der österreichisch-ungarische Film (27. Dezember 1917)
Weiterlesen: Gerhard Tötschinger, Vom Schaumburger Grund ins Lichtental. Die Wiener Bezirke IV bis IX, Amalthea Verlag, Wien 2016
Der Beruf der Hausbesorgerinnen und Hausbesorger entstand mit dem Wiener Bauboom im 19. Jahrhundert. Nicht nur das Bürgertum und der Adel errichteten sich weitläufige Gebäude, es wurden auch in den Vororten große Wohnanlagen errichtet, für die ein intensiver Betreuungsbedarf entstand. Bald wachten "Hausmeister" über diese Anlage, sorgten für Zucht und Ordnung, übernahmen handwerkliche Aufgaben und kümmerten sich um die Sauberkeit. Hausmeisterinnen beziehungsweise Hausmeistern wurden samt ihren Familien Wohnungen im Erdgeschoss zur Verfügung gestellt, sodass niemand ungesehen das Haus betreten oder verlassen konnte. Erschwerend kam hinzu, dass Mieter damals kein Anrecht auf Haustorschlüssel hatten und Hausmeister das Hausportal zwischen 22 und 6 Uhr in der Früh verschlossen zu halten hatten. Mieter, die in der Nacht in ihre Wohnungen wollten, waren deshalb gezwungen anzuläuten und dem Hausmeister für seine Aufsperrdienste das sogenannte "Sperrsechserl" zu bezahlen (ursprünglich 6 Kreuzer, nach einer Währungsreform 20 Heller, die heute etwa 1 Euro entsprechen).
Hausmeister wurde gewissermaßen – wienerisch gesprochen – zu "Respektspersonen". Es war deshalb ratsam ein gutes Verhältnis mit ihnen pflegen. Hielt man sich nicht an diese Regel, konnte es Probleme geben, wie die Wiener Allgemeine Zeitung am 14. Oktober 1918 berichtete:
"In der ganzen Welt würde man Derartiges für unmöglich haltet, bloß in Wien, dem Sperrsechserl-Eldorado, weiß man, daß es so etwas gibt. Da kennt man die Gloriole, die der Hausmeister um sein Haupt trägt, da ist man von seiner Mächtigkeit, wenn nicht gar von seiner Allmächtigkeit überzeugt und auch davon, daß es vor allem darauf ankommt, sich mit dieser wichtigen und mit weitgehenden Befugnissen ausgestatteten Persönlichkeit ins Einvernehmen zu setzen und sich auf guten Fuß zu stellen. Und wenn man hierzulande keinen Richter zu brauchen glaubt, so weiß man ebenso, daß man mit dem Hausmeister rechnen muß, daß es unerläßlich ist, sich seiner Gunst zu versichern. Wer es an Respekt fehlen läßt, dem kann es passieren, daß er gekündigt wird. So geschehen einer Mietpartei, die von der Hausbesitzerin deshalb gekündigt wurde, weil sie Mehrmals vor anderen Hausparteien einen nicht genügend respektvollen Ton der Hausmeisterin gegenüber angeschlagen hat. Die Partei hat diese Kündigung jedoch nicht ernst genommen und dagegen Einspruch Erhoben […] Die Autorität der Hausmeister hat hiemit einen empfindlichen Stoß erlitten; mag sein, daß sie in ihren Grundfesten erschüttert ist. Wenn die übrigen Wohnparteien Wiens das erfahren werden, alle jene, die bisher nur zitternd und bebend und mit zu Boden gesenkten Augen vor den Hausbesorgern und - besorgerinnen zu stehen wagten […], daß es noch eine höhere als die Hausmeisterautorität gibt […] Die Hausbesorger mögen beruhigt sein: trotz aller abgewiesenen Revisionen. Die Wiener werden es nicht glauben."
Im Jahr 2000 wurde das für ganz Österreich geltende Hausbesorgergesetz dahingehend novelliert, dass keine neuen Hausbesorger mehr eingestellt werden können, während bestehende Arbeitsverhältnisse langsam auslaufen. Begründet wurde die Reform mit günstigeren Kosten für Mieterinnen und Mieter, wenn externe Firmen die Aufgaben der früheren Hausmeister übernehmen. Letzteres trat zwar in einigen Wohnhausanlagen ein, trotzdem sprach sich eine Mehrheit bei einer Volksbefragung 2010 in Wien dafür aus, Hausbesorger auf bundesgesetzlicher Ebene wieder zu ermöglichen.
Links:
Die Autorität der Hausbesorgerin (Wiener Allgemeine Zeitung vom 14. Oktober 1918)
Weiterlesen: Hausbetreuung nach Abschaffung des Hausbesorgergesetzes
"Die Parteiführer beim Kaiser" titelte das Neuigkeits-Welt-Blatt am Dienstag den 15. Oktober 1918. Tatsächlich waren 32 Vertreter verschiedener Parteien der österreichischen Reichshälfte am samstags zuvor nach Baden bei Wien geladen worden, wo sich in den letzten Kriegsmonaten am heutigen Hauptplatz 17 – damals Kaiser Karl-Platz – die kaiserliche Residenz befand. Tschechische und südslawische Politiker boykottierten dieses Treffen allerdings. Die Besprechungen drehten sich um die politische Reorganisation der österreichischen Reichshälfte, da die Mittelmächte, darunter auch Österreich-Ungarn, am 4. Oktober 1918 das 14-Punkte Programm des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson akzeptiert hatten. Für das Habsburgerreich war vor allem das von Wilson geforderte Selbstbestimmungsrecht der europäischen Nationen problematisch. Noch glaubte Kaiser Karl daran, dass sich das Selbstbestimmungsrecht der polnisch-, tschechisch-, ukrainisch-, slowenisch-, italienisch-, ladinisch- und deutschsprachigen Volksgruppen innerhalb des österreichischen Teils der Monarchie – unter anderem mit der Schaffung eines "Völkerministeriums" – verwirklichen lassen würde:
"Der vergangene Samstag war ein für die innere Politik Oesterreichs historischer Tag. Im Rahmen der großen Wendung, vor der Oesterreich in seiner Zusammensetzung steht, erschien eine Anzahl der politischen Parteiführer vor dem Monarchen, um ihm ihre Ansichten und Meinungen über die Zukunft der Völker kundzugeben und den Kaiser mit den Hoffnungen bekanntzumachen, die die einzelnen Volksstämme Oesterreichs an die jetzt geplanten Reorganisationen im Staat knüpfen […] Mit der Südbahn fuhren die Parteiführer bei strömendem Regen nach Baden, wo sie sich in der am Franzensring gelegenen, vom Marquis Villasecca erbauten Villa versammelten. Von dort aus brachten Automobile die Politiker in die Kaiservilla am Kaiser Karlplatz, wo die Audienzen stattfanden. Die Automobile sollten die Herren vom Bahnhof abholen, waren aber infolge eines Mißverständnisses zur erwähnten Villa gefahren, so daß die Ankommenden die erste Wegstrecke zu Fuß zurücklegen mußten. Der Direktor der kaiserlichen Kabinettskanzlei Dr. R. von Seidler geleitete dann die Politiker in das Arbeitszimmer des Kaisers, wo in fünfstündigen Audienzen alle die hochbedeutsamen Fragen erörtert wurden, die derzeit die Gesamtheit Oesterreichs bewegen."
Tatsächlich kam die Initiative Kaiser Karls zu spät. Die Annahme von Wilsons 14 Punkte – vom Interessanten Blatt wenig später als "Harakiri" bezeichnet – beschleunigte bloß den Zerfall des Vielvölkerstaats (Das interessante Blatt vom 14. November 1918). Am Tag der hochrangigen Konferenz in Baden betrachtete die Arbeiterzeitung die politische Situation wesentlich nüchterner und realistischer als der Kaiser:
"[…] soll man es auch hier versuchen, eine parlamentarische Regierung, ein 'Völkerministerium' zu bilden, das Vertreter aller Nationen umfassen würde und darum im Namen aller Nationen sprechen könnte? Aber das geht gar nicht; aus dem sehr einfachen Grunde nicht, weil Tschechen, Südslaven, Polen keine solche Regierung bilden, in keine österreichische Regierung mehr eintreten wollen, weil sie eben dem österreichischen Staat überhaupt nicht mehr zugehören, ihre eigenen Nationalstaaten bilden wollen! Keine Macht der Welt kann diese Tatsachen ändern. Kein Staatsstreich von oben und keine Revolution von unten könnte eine österreichische Regierung hervorbringen, die von allen Nationen das Mandat zu Friedensverhandlungen bekäme, weil viele Nationen eben überhaupt Oesterreich nicht mehr wollen, sich als Bürger Oesterreichs nicht mehr fühlen, jeder österreichischen Regierung, wie immer sie aussähe das Recht, ihre Sache zu führen, absprechen. Das ist die nackte, brutale Tatsache, die, ob man sich ihrer nun freut oder ob man sie beklagt kein Einsichtiger mehr leugnen kann. Darum kann Wilson eine österreichisch-ungarische Regierung, die nach seiner Auffassung und seinen Grundsätzen zu Friedensverhandlungen berechtigt wäre, nicht finden [...] Es werden also vielleicht überhaupt nicht Vertreter der k.u.k. Regierung zum Verhandlungstisch kommen, sondern nur Vertreter der Tschechen, der Südslaven, der Polen, der Ungarn und so weiter. Und wenn wir Deutschösterreicher bei den Verhandlungen nicht unvertreten bleiben wollen, dann müssen wir uns eben auch als Nation konstituieren und unsere eigenen Vertreter zum Friedenskongreß entsenden. Die österreichisch-ungarische Regierung hat den Krieg erklären können; aber ob sie auch noch berufen sein wird, Frieden zu schließen, ist durchaus nicht gewiß."
Links:
Günstige Friedensanzeichen (Neuigkeits-Welt-Blatt vom 15. Oktober 1918)
Wer soll die Friedensverhandlungen führen? (Arbeiter-Zeitung vom 12. Oktober 1918)
Am 16. Oktober 1918 erschien in den Innsbrucker Nachrichten ein Artikel über die künstlerische Ausgestaltung des 1914 eröffneten Krankenhauses in Hall in Tirol durch den akademischen Maler Alfons Siber:
"Mit dem neuen Krankenhause hat Stadtbaumeister Illmer der Stadt Hall ein kleines baukünstlerisches Juwel errichtet: Einfach und gediegen, unaufdringlich in der Außenwirkung, vorbildlich in Bezug auf Raumaufteilung und Innenausstattung. Gediegenheit und Zweckmäßigkeit in edler Harmonie! Das Prunkstück des Gebäudes ist die Kapelle […] Der akad. Maler Alfons Siber arbeitet hier in aller Stille an der Vollendung der Fresken […] In Grüngrau mit Schwarz gezeichnet, in Weiß gehöht, wollte der Künstler unter Verzicht auf weitere Farbenwirkung die Tragik des Stoffes voll zur Geltung bringen und hat dies auch glänzend erreicht. – Welche Farbenfeuer aber läßt er im Gegensatze hiezu an den beiden Fresken im Frontbogen aufsprühen 'Die Offenbarung des hl. Johannes und der Weltkrieg' – so kündet eine Schriftrolle den Stoff an, dem diese Darstellungen entnommen sind. Erste Künstler, wie Dürer, Cornelius, Böcklin u. a. haben schon aus diesem Stoffe geschöpft; besonders die apokalyptischen Reiter erscheinen immer wieder als beliebter Vorwurf. Was hat Siber aus dem Stoffe gemacht? Er hat in tiefer Durchdringung desselben mit genialem Blicke die Parallele herausgefunden, die zwischen diesem Stoffe und dem gegenwärtigen Weltringen besteht: Es ist das uralte Lied, das in diesen beiden Fresken so lebendig und wuchtig auf uns wirkt – die Verkörperung des Kampfes, der gräßlichwild über die Erde rast, der Kampf zwischen Wahrheit und Tugend – gegen Lüge, Sünde und Mammon! […] Freuen wir uns, daß es durch den glücklichen Griff der Haller Stadtvertretung zwei erlesenen Künstlern wieder einmal möglich gemacht wurde sich in monumentalen Werken auszusprechen und im Gegensatze zu der wuchernden Kitsch- und Afterkunst Gediegenes uns künstlerisch Wertvolles zu schaffen."
Der 1860 im tirolerischen Schwaz geborene Alfons Siber studierte an der Wiener Akademie der Bildenden Künste und wirkte anschließend in seiner Tiroler Heimat als Maler und Restaurator. 1903 gründete er den Tiroler Künstlerbund. Während seine Auftragswerke, vor allem Porträts und Werke in Kirchen und Festsälen, dem konservativen Geschmack seiner Auftraggeber entsprachen, pflegte er in seinen privaten Bildern einen sezessionistischen Stil. 1914 ließ er sich – wie viele andere Künstler auch – von der Kriegsbegeisterung anstecken und beteiligte sich an der Gestaltung von Kriegspropaganda. Privat galt Siber als begeisterter Schifahrer, der die Lilienfelder Skilaufmethode des Niederösterreichers Mathias Zdarsky in Tirol einführte.
Das Haller Krankenhaus wurde 1914 eröffnet und beherbergte bis 1929 auch ein Altersheim. 1918 wurde dem Krankenhaus das Öffentlichkeitsrecht zuerkannt, was zu einem raschen Anstieg der Patientenzahlen führte. Seit 2011 ist das mittlerweile in "Landeskrankenhaus Hall" umbenannte Krankenhaus eine Anstalt der "Tirol Kliniken".
Links:
Das neue Krankenhaus der Stadt Hall (Innsbrucker Nachrichten vom 16. Oktober 1918)
Weiterlesen: Bezirkskrankenhaus Hall in Tirol
Die Muskete veröffentlichte am 17. Oktober 1918 einige Glossen zur Zeit. Diese wurden von Rudolf Jeremias Kreutz (eigentlich Rudolf Křiž beziehungsweise Krisch) verfasst, der sich während des Ersten Weltkriegs zum Pazifisten entwickelte. In seinen Betrachtungen kritisierte er unter anderem die "Erweckung des Bestientriebs der Masse" und die daran nicht ganz unschuldigen Publizistik:
"Das Böse ist des Menschen keimfähigste Zelle. Darum ist es ein Verbrechen an der Menschheit, sie auch noch künstlich zu befruchten, wie es durch die Erziehung zum Kriege geschieht. Sache der Zukunft ist es daher, das spärliche Gute im Menschen sorgsam zu pflegen, jene aber erbarmungslos an Leib und Leben zu strafen, die den Bestientrieb der Masse wecken, um an seinen Erfolgen reich oder unsterblich zu werden."
"Ein schöner Traum: Die Publizistik aller Länder veranstaltet ein Treibjagen auf das giftige Geschmeiß der Phrase. Sie vernichtet es und der Krieg stirbt den Hungertod, da ihm mit der Phrase sein Fleischlieferant entzogen wird. Die Wirklichkeit: Die Publizistik aller Länder macht die riesenhaftesten Anstrengungen, um erprobte alte Phrasen bei Kraft und Gesundheit zu erhalten. Sie gründet aber auch Mastanstalten, in welchen durch Zufuhr von Druckerschwärze sogar unterernährte und lebensschwache Lügen zu ansehnlichem Gewicht gelangen. Das Gewürm bedeckt schließlich in unentwirrbarem Knäuel die ganze Erde, die Wahrheit unter sich zerschleimend. Der Krieg ist auf Jahre hinaus mit Futter versorgt und rülpst, ein satter Rentner, die Verzweiflung an, die ihm Vorwürfe wegen seines Heißhungers machen möchte."
Rudolf Jeremias Kreutz stammte aus dem böhmischen Roždalowitz, ging in Wiener Neustadt und in Wien in die Schule. Schon früh veröffentlichte er unter seinem Pseudonym "Jeremias" erste satirische Texte – Arthur Schnitzler sollte ihn später als "Spottdrossel unter den Lerchen des Wiener und des Grazer Waldes" bezeichnen.
Als Oberleutnant der k.u.k. Armee geriet Kreutz kurz nach Kriegsbeginn in russische Gefangenschaft. Nach seiner Flucht im Jahr 1918 ließ er sich endgültig als freier Schriftsteller in Wien nieder. Er befasste sich mit pazifistischen Themen und der Vision einer idealen Gesellschaft. Da er sich gegen den Nationalsozialismus stellte und 1933 im PEN-Club eine diesbezügliche Resolution einbrachte, wurden seine Schriften im Deutschen Reich verboten. Nach dem "Anschluss" Österreichs an Hitler-Deutschland wurde er 1938 mit einem Publikationsverbot belegt und war zeitweilig sogar inhaftiert.
Kreutz verstarb 1949 in der Villa seiner Frau Heddy Kreutz-Seiller am Grundlsee. Heute gehört die Villa zum Vermögen der "Dr. Erich Bielka-Stiftung zum Gedenken an Rudolf Jeremias Kreutz" und steht Künstlern für Arbeits- und Erholungsaufenthalte zur Verfügung. An Rudolf Jeremias Kreutz erinnert eine Gedenktafel an seiner Wiener Wohnadresse in der Neubaugasse 71.
Links:
Glossen zur Zeit von Rudolf Jeremias Kreutz (Die Muskete vom 17. Oktober 1918)
Rudolf Jeremias Kreutz (biographischer Text zu seiner Radiosendung in Radio-Wien vom 15. Februar 1929)
Im Laufe des 17. Oktobers erreichte das Manifest Kaisers Karls über die Neugestaltung der österreichischen Reichshälfte der Monarchie, das sogenannte "Völkermanifest", die Zeitungsredaktionen und prägte am 18. Oktober die Titelseiten. Das Manifest, das die ungarische Reichshälfte nicht berührte, sah die Bildung von 4 Staaten auf nationaler Basis vor: einen "tschecho-slowakischen", einen "illyrischen" (oder "süd-slawischen"), einen "ruthenischen" (ukrainischen) und einen "deutsch-österreichischen Staat". Die polnischen Gebiete sollten aus dem Verband der Monarchie ausscheiden und dem neu gegründeten polnischen Staat übergeben werden, Triest war als Freihafen für alle 4 Staaten vorgesehen.
Für die Arbeiter-Zeitung kam das Manifest viel zu spät und hatte auch wenig Glaubwürdigkeit, da es erst unter Druck des amerikanischen Präsidenten Wilson zustande gekommen war. Das Fremden-Blatt war hingegen vorsichtig optimistisch und schrieb von der bevorstehenden Umwandlung Österreichs in einen Bundesstat als einer "großen, schönen, aber auch schweren Aufgabe". Die deutschsprachigen Blätter befassten sich naheliegender Weise mit dem Territorium Deutsch-Österreichs und blickten dabei vor allem auf das Schicksal der von Deutschsprachigen bewohnten Gebiete in Böhmen und Mähren. Die neue Südgrenze in Kärnten und der Steiermark entlang der Drau wurde aber – abgesehen von den wenig einflussreichen südsteirischen und Kärntner Zeitungen – kaum diskutiert.
Was aber am 18. Oktober immer mehr zur Gewissheit wurde, war das wohl unvermeidliche Ende der alten Doppelmonarchie: Aus Ungarn wurde von der unmittelbar bevorstehenden Unabhängigkeitserklärung berichtet, die Weigerung der tschechischen und südslawischen Reichsratsabgeordneten an der Gestaltung des neuen Bundesstaates auf Grundlage des "Völkermanifests" mitzuarbeiten verhieß wenig Gutes und aus Kärnten wurde zur Abwehr der "sinnlosen Zerreissung […] der engeren Heimat" aufgerufen (Freie Stimmen vom 18. Oktober 1918):
"Wenn man die Zukunft der österreichisch-ungarischen Monarchie nach den Vorgängen im Abgeordnetenhause und in den Delegationen beurteilen wollte, müßte man sagen: es war einmal eine österreich-ungarische Monarchie. Tschechische Vertreter, Südslaven aus Polen reden in Wien von Oesterreich nur mehr als von einem gewesenen Staate, betrachten sich bereits als Angehörige des selbständigen 'tschecho-slowakischen' oder des 'südslavischen' oder des 'polnischen Staates'. Die tschechischen Verräter in der Armee werden als Helden gefeiert, die wirklichen tschechischen Helden aber mit keinem Worte erwähnt. In Prag und in Krakau verhandeln die Tschechen und die Polen über die zukünftigen Staatswesen ihrer Nationen, ähnliches beginnen die Südslaven. Der Kaiser hat letzten Montag 32 Abgeordnete aller Parteien einzeln empfangen und von jedem seine politischen Zukunftspläne erfragt. Aber geändert wurde dadurch an den trüben Aussichten für die Zukunft nichts. Es hat den Anschein, als ob das Abgeordnetenhaus sich allmählich von selbst auflösen würde. Ansätze hiezu sind schon da."
Links:
Oesterreichs Zukunft (Volkspost vom 18. Oktober 1918)
Heute vor 100 Jahren: 32 Reichsratsabgeordnete bei Kaiser Karl (15. Oktober 1918)